Der langsame Walzer der Schildkroeten

hatte sich im Schneidersitz auf dem Teppich niedergelassen.
    »Ich hab genauso viel Schiss wie du, weißt du.«
    »Ich habe keinen Schiss«, hatte Hortense erwidert. »Ich bin total entspannt. Ich bekomme den Platz. Ich hoffe, du bist eine gute Verliererin!«
    »Morgen Abend gibt es eine Party im Cuckoo Club. Die ganzen Franzosen werden da sein, von der Esmod, du weißt schon …«
    Es gab nicht nur Saint Martins oder die Parsons School in New York, sondern auch die Esmod in Paris. Hortense hatte sich nur deshalb gegen eine Ausbildung dort entschieden, weil sie aus Paris und von ihrer Mutter wegwollte.
    Vannina Vesperini, Fifi Chachnil, Franck Sorbier oder auch Catherine Malandrino waren aus dieser Schule hervorgegangen. Hatte man vor fünf Jahren noch nur von London gesprochen, war Paris mittlerweile ins Zentrum der Modewelt zurückgekehrt. Mit einer französischen Spezialität: dem Modelismus. Auf der Esmod lernte man die Moulage mit Nesselstoffund Schnittkonstruktion. Wertvolle Fertigkeiten, die sich Hortense liebend gerne aneignen wollte. Sie zögerte.
    »Kommen deine Freunde auch?«
    Agathe schnitt eine Grimasse, die »zwangsläufig« verhieß.
    »Diese Typen wollte ich nicht geschenkt haben! Das sind fette Schweine …«
    »Sie können auch nett sein, weißt du!«
    »Nett?«
    Hortense lachte.
    »Manchmal helfen sie mir, sie ermutigen mich, sie verleihen mir Flügel …«
    »Das wüsste ich aber. Wenn Schweine Flügel hätten, würden sie nicht mit ihrem Hintern im Dreck sitzen, sondern fliegen! Und ehe die abheben, muss noch einiges passieren!«
    Schließlich hatte sie sich von Agathe überreden lassen, mit ihr zu der Party zu gehen.
    Sie hatten ein Taxi genommen. Agathe hatte dem Fahrer eine Adresse genannt, aber nicht die des Klubs.
    »Macht es dir etwas aus, wenn wir noch schnell bei ihnen vorbeifahren?«
    »Bei denen?«, hatte Hortense gebrüllt. »Glaub ja nicht, dass ich auch nur einen Fuß in deren Wohnung setze!«
    »Bitte«, hatte Agathe gefleht. »Komm doch mit, dann habe ich nicht so viel Angst … Wenn ich mit denen allein bin, läuft es mir immer eiskalt den Rücken runter.«
    Sie wirkte aufrichtig verängstigt.
    Schimpfend war Hortense mit ihr in die Wohnung hinaufgegangen.
    Sie saßen im Wohnzimmer. Alles in diesem Raum glänzte geschmacklos. Nur Marmor, Gold, Kerzenleuchter, Vorhänge mit goldenen Troddeln, protzige Lehnsessel, fettleibige Ohrensessel. Fünf schwarz gekleidete Männer. Auf ihren fetten Schweinehintern. Sie hatte sich unwohl gefühlt, als sie alle aufgestanden und auf sie zugekommen waren. Sehr unwohl, als Agathe den Raum verlassen hatte, weil sie angeblich auf die Toilette musste.
    »Na … wo ist denn deine große Klappe geblieben? Bild ich mir das ein, Carlos, oder scheißt sich die Kleine gerade vor Angst in die Hose?«, hatte ein kleiner, stämmiger Typ gefragt.
    Sie hatte nicht geantwortet und darauf gewartet, dass Agathe endlich vom Klo zurückkam.
    »So, Schätzchen, weißt du, warum wir dich herbestellt haben?«
    Sie war in eine Falle getappt. Wie eine Anfängerin. Im Cuckoo Club gab es heute Abend ebenso wenig eine Party wie in diesem Wohnzimmer auch nur die Spur von gutem Geschmack!
    »Keine Ahnung. Aber Sie werden mich sicher gleich aufklären …«
    »Wir wollten mit dir reden … Danach lassen wir dich in Ruhe.«
    Sie wollen, dass ich für sie anschaffen gehe. Ich soll für diese dreckigen, flugunfähigen Schweinebacken auf den Strich gehen. Die sich hier fett fressen, während ihre Huren schuften. Daher kommen also Agathes Geld, ihre Dreihundert-Euro-Jeans, ihre hübschen Jacken von Dolce & Gabbana.
    »Ich glaube, ich kann es mir vorstellen, aber das können Sie vergessen …«
    »Ich glaube, du kannst dir überhaupt nichts vorstellen«, sagte der Typ, der ihr Anführer sein musste, denn er war mindestens einen Meter fünfundsiebzig groß und spuckte allen anderen auf den Kopf.
    »Das würde mich wundern. Ich bin nicht von gestern, falls Sie das glauben …«
    Viele Studentinnen arbeiteten als Prostituierte. Um ihr Studium zu bezahlen oder die Skiferien in Val d’Isère. Es gab spezielle Agenturen, die sie für ganze Wochenenden vermittelten. Sie flogen nach Osteuropa, verbrachten eine Nacht mit einem fetten, kleinen Kerl und kamen mit den Taschen voller Geld zurück.
    »Wir wollen dich um einen etwas speziellen Gefallen bitten … Und es wäre besser, wenn du tust, was wir dir sagen. Sonst werden wir nämlich böse. Sehr böse. Siehst du die Tür zum Badezimmer