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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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sie, was, wenn ich eine Hasenscharte zurückbehalte?
    Sie ließ sich auf die Rückbank des Taxis fallen und begann zu schluchzen.

Dritter Teil

P aul Merson spielte nicht bloß Schlagzeug. Paul Merson hatte eine Band, und mit dieser Band spielte Paul Merson samstagabends auf Tanzveranstaltungen.
    Paul Merson hatte eine Mutter, deren Kurven mehr als einem Mann den Kopf verdrehten. Sie arbeitete in der PR -Abteilung eines Spirituosenherstellers. Da Monsieur Merson kein erbitterter Verfechter ehelicher Treue war, hatte Madame Merson alle Freiheiten, ihre Kurven zu präsentieren, wie es ihr beliebte, und so ließ sie auch ihre Kunden in den Genuss ihrer erst aufrecht, dann waagrecht dargebotenen Rundungen kommen. Das brachte ihr einige Vorteile, manche in klingender Münze, andere subtilerer Natur, indem sie ihr beispielsweise ermöglichten, sich auf einem Posten zu halten, den viele ihrer Kollegen ebenfalls anstrebten.
    Paul Merson hatte schnell erkannt, welchen Nutzen er aus diesem Umstand ziehen konnte. Wenn irgend so ein Kerl seine Mutter abends abholte, wenn er dem Arm etwas zu eng um sie legte, dann schob sich Paul Merson dazwischen und fragte den Mann unschuldig, ob er nicht zufällig eine kleine Feier plane, bei der er und seine Band gegen Bezahlung für Stimmung sorgen könnten. »Wir sind gut, wir sind sogar sehr gut, wir spielen auf Bestellung, Oldies oder aktuelle Sachen, wir verlangen nicht viel, keine große Gala, bloß irgendwas, wo getanzt wird, irgendwelche komischen Animationen, uns ist alles recht. Anheizer, Rausschmeißer, wir machen alles. Das Schülerdasein ist hart«, seufzte er, »wir sind noch nicht alt genug für richtige Jobs, aber wir würden unheimlich gerne mal unser Material erneuern oder ab und zu ein Bier trinken gehen. Bei Ihren Beziehungen haben Sie doch sicher Möglichkeiten …« Der Kunde, dessen begehrlicher Blick Madame Mersons Kurven folgte, antwortete: »Ja, ja, na klar«, und fand sich hernach an seine unbedachte Zusage gebunden.
    Sonst verschwand die kurvenreiche Madame Merson.
    So kam es, dass Paul Merson und seine Vagabonds auf Werbeveranstaltungen für VD irix-Traktoren, Clin-d’œil-Kartoffelchips oder Roches-Claires-Würstchen zu spielen begannen. Durch seine ersten Engagements bestärkt, hatte sich Paul Merson zu einem selbstbewussten, unverschämten, rastlosen Jungen entwickelt, der die Welt der Erwachsenen entdeckte und fest entschlossen war, sie für sich zu nutzen. Eines Abends, als Joséphine eine Arbeitssitzung hatte und erst spät nach Hause kommen würde, klopfte er an Zoés Tür.
    »Hast du Lust, in den Keller runterzukommen? Domitille und Gaétan kommen auch. Ihre Eltern sind heute Abend nicht da. Gehen in die Oper. Abendkleid, das volle Programm. Die sind frühestens um eins zurück … Fleur und Seb können nicht: Ihre Eltern kriegen Besuch von Verwandten.«
    »Ich muss Hausaufgaben machen …«
    »Streberin! Irgendwann kriegst du noch Probleme!«
    Er hatte nicht unrecht: In der Schule sahen die anderen sie schon manchmal schief an. »Na gut. Einverstanden.«
    »Super. Wir warten auf dich.«
    Schwungvoll hatte er sich umgedreht und war mit ein paar sorgfältig vor dem Spiegel einstudierten Schritten davongegangen. Dann hatte er kehrtgemacht und war betont lässig zurückgekommen.
    »Du hast nicht zufällig Bier im Kühlschrank?«
    »Nein. Wieso?«
    »Schon okay … Bring Eiswürfel mit.«
    Zoé war verunsichert. Sie mochte Gaétan, aber Paul Merson schüchterte sie ein, und Domitille Lefloc-Pignel verursachte ihr Unbehagen. Sie konnte sie nicht einschätzen, man wusste bei ihr nie, wen man vor sich hatte. Das wohlerzogene, sorgfältig gekleidete Mädchen in Faltenrock und weißer Bluse oder ein völlig anderes, das manchmal so ein böses Funkeln in den Augen hatte. Die Jungs glucksten, wenn sie von ihr sprachen, und wenn Zoé sie nach dem Grund dafür fragte, glucksten sie nur noch mehr und leckten sich die Lippen.
    Gegen halb zehn ging sie nach unten. Setzte sich in den dunklen, nur von einer Kerze beleuchteten Keller und sagte gleich: »Ich kann nicht lange bleiben …«
    »Hast du die Eiswürfel?«, wollte Paul Merson wissen.
    »Das ist alles, was wir hatten …«, antwortete sie und öffnete einen Plastikbehälter. »Und ich darf nicht vergessen, die Dose nachher wieder mit raufzunehmen …«
    »Ach, Gottchen, die brave Hausfrau«, lachte Domitille höhnisch und saugte an ihrem Zeigefinger.
    Paul Merson zog eine Whiskyflasche und vier Senfgläser hervor,

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