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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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wusste nicht alles. Oder stellte sich unwissend. Sie gab die Hoffnung nicht auf, doch noch etwas über sie herauszufinden. Denn das war die Devise ihres Onkels: Jeder Mensch hat ein Geheimnis, sein kleines bisschen Dreck am Stecken, das ihn, klug genutzt, zu einem Knecht oder Verbündeten macht.
    Sie ging über den Hof zum Müllraum.
    Sie öffnete die Tür. Der feuchte, schimmlige Geruch faulender Abfälle schlug ihr entgegen. Sie hielt sich die Nase zu. Was für ein Saustall! Und diese Concierge unternahm nichts dagegen! War wohl zu sehr damit beschäftigt, ihre Loge zu streichen! Aber das würde sich ändern, sie würde mit dem Verwalter reden. Sie wusste, wie sie mit ihm zu reden hatte.
    Sie war froh, die Gummihandschuhe angezogen zu haben, und hob den schweren Deckel der ersten Tonne. Sie wich einen Schritt zurück, damit ihr der widerliche Gestank nicht direkt in die Nase stieg. Das ist ekelhaft! Zu Zeiten meiner Eltern wäre dieser Dreck niemals geduldet worden. Gleich morgen schreibe ich dem Verwalter und verlange, dass dieses junge Ding entlassen wird. Er kennt die Prozedur mittlerweile auswendig, ich brauche nicht mehr darauf zu bestehen, ich brauche nicht einmal den Namen ihres im Gefängnis sitzenden Gefährten zu erwähnen. Wenn ich bloß daran denke, dass er diese Frau eingestellt hat, ohne sich nach ihren Verhältnissen zu erkundigen! Der Vater ihrer Kinder, ein Verbrecher! Wie unglaublich nachlässig! Ich werde ihm die Akte unter die Nase halten.
    Sie hörte nicht, wie sich die Tür des Müllraums hinter ihr öffnete.
    Weiter über Iphigénie schimpfend, den Morgenmantel von Damart über dem rosafarbenen Nachthemd nachlässig geöffnet, beugte sie sich über die große graue Tonne, als sie plötzlich brutal nach hinten gerissen wurde und der erste Stich ihre Brust traf, dann noch einer und noch einer.
    Sie kam nicht mehr dazu, um Hilfe zu rufen. Sie fiel nach vorn auf die Tonne. Ihr langer, vertrockneter Jungfernkörper sackte auf dem Deckel zusammen, rutschte gegen eine zweite Tonne und brach schließlich zusammen. Sie schwang herum und sank wie ein nasser Lappen zu Boden. Dabei hatte sie doch längst noch nicht alles gesagt, es gab noch so viele Menschen, deren schändliche Geheimnisse sie kannte, so viele Menschen, die sie verabscheuen könnten, und sie genoss es, wenn man sie verabscheute, denn man hasst nur die Mächtigen, nicht wahr, niemals die Schwachen.
    Auf dem Boden liegend, sah sie die Schuhe des Mannes, der auf sie einstach, die schönen Schuhe eines reichen Mannes, englische Schuhe mit abgerundeter Spitze, neue Schuhe mit glatten Sohlen, die in der Dunkelheit aufleuchteten. Er hatte sich gebückt und stach rhythmisch auf sie ein, sie konnte die Stiche zählen, sie zählte sie, während sie auf sie niedergingen, in ihrem Geist vermischten sie sich mit dem Blut in ihrem Mund, dem Blut an ihren Fingern, dem Blut auf ihren Armen, dem Blut überall. Rache? Hatte sie richtig gelegen? Sie alle waren in Geheimnisse verstrickt, an denen sie zu schwer zu tragen hatten.
    Mit geschlossenen Augen breitete sie sich langsam auf dem Boden aus. Ja, ja, ich wusste es, alle haben sie etwas zu verbergen, sogar dieser wunderschöne Mann, der in Unterhosen auf Plakatwänden posiert. Ein attraktiver Mann mit dunklem Teint und romantischer Frisur. Ach, wie gut er ihr gefiel! Stark und zerbrechlich zugleich, nah und fern, wundervoll und entrückt. Mit einem Knacks, der ihn ihr auslieferte. Der Onkel hatte ihr von dem Knacks erzählt. Er kannte alle Tricks, um die Menschen dazu zu bringen, das zu tun, was er wollte. Jeder hat seinen Preis, sagte er immer, jeder hat eine wunde Stelle. Natürlich war er jünger als sie, natürlich würde er sie keines Blickes würdigen, aber das hinderte sie nicht daran, beim Einschlafen davon zu träumen, wie er in ihrer Schuld stand, wie sie zu seiner Vertrauten wurde, wie er ihr zuhörte und wie nach und nach eine Bindung zwischen ihnen entstand. Zwischen dem Model und der alten Jungfer. Der Onkel hatte eine ganze Akte über ihn: mehrere Verhaftungen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Beamtenbeleidigung, öffentliche Ruhestörung. Er hat zwar ein Gesicht wie ein Engel, dein Freund, aber er führt sich auf wie ein Rowdy. Ach, wenn er doch nur mein Freund wäre, hatte sie gedacht und um ein Haar auch laut gestanden.
    Sie hatte erfahren, wie er hieß, wo er wohnte, bei welcher Agentur – Galerie Vivienne – er unter Vertrag stand. Aber vor allem hatte sie von seinem Geheimnis

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