Der langsame Walzer der Schildkroeten
erkennst.«
Sie pustete zärtlich auf Zoés warme Stirn, auf ihre Wangen, auf die verklebten Haare in ihrem Nacken.
»Ich werde da sein, ich werde dafür sorgen, dass du nichts verpasst, ich werde nichts dem Zufall überlassen …«
Zoé seufzte im Schlaf und murmelte: »Maman?« Joséphine nahm ihre Fingerspitzen und küsste sie.
»Schlaf, meine Schöne, mein Liebling. Maman ist da, ich liebe dich und passe auf dich auf …«
»Maman«, stammelte Zoé. »Ich bin so glücklich … Er hat gesagt, er ist in mich verliebt, Maman, in mich verliebt …«
Joséphine beugte sich vor, um die in den Wirren des Traums gesprochenen Worte zu verstehen.
»Und er hat mir seinen Pullover gegeben … Ich glaube, ich bin doch sexy.«
Sie sank zurück in einen tiefen Schlaf. Joséphine zog die Decke hoch, drapierte den Pullover um sie, verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Draußen ließ sie sich gegen die Wand sinken. Das ist Glück, dachte sie, die Liebe meines Kindes wiedergewonnen zu haben, meine Finger, meinen Atem mit ihren Fingern, ihrem Atem zu verschränken, die Zeit anzuhalten, diesen Moment andauern zu lassen, mich in ihn zu flüchten, ihn zu genießen, langsam, ganz langsam, sonst verfliegt das Glück wieder, bevor ich Zeit hatte, es auszukosten.
Junior war mittlerweile ein Jahr alt. Und er hatte beschlossen, dass es an der Zeit war, die Fesseln abzustreifen. Es reicht. Ich habe lange genug das Baby gespielt, um ihnen eine Freude zu machen. Jetzt nehme ich das Steuer in die Hand, denn im Moment drehen hier doch alle durch.
Er hatte sich aufgerichtet, war ein paar unsichere Schritte vorwärtsgetaumelt, war zurück auf seine volle Windel geplumpst – diese Dinger musste er auch bald loswerden, weg damit, was war das überhaupt für eine Art, am Hintern eines kleinen Engelchens so einen Haufen kleben zu lassen? –, hatte sich hochgerappelt und wieder von vorn angefangen. Bis er es schaffte, sein Zimmer zu durchqueren, ohne einmal hinzufallen. Es war gar nicht so schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und es erleichterte einem das Leben ungemein. Die Haut an seinen Ellbogen und Knien war vor lauter Krabbeln ja schon völlig gereizt.
Dann hatte er zur Klinke an seiner Zimmertür hochgeschaut. Was sollte das denn, ihn einfach einzusperren? Sie machten ihm die Aufgabe wirklich nicht leicht. Das musste eine Manie dieses ungehobelten jungen Dings sein, das man ihm als Kindermädchen aufgezwungen hatte. Ein hinterhältiges, einfältiges Schaf, das seine Zeit damit verbrachte, hirnverbrannte Zeitschriften zu lesen und die Geldscheine einzusacken, die ihm die fliegende Untertasse zusteckte, um sich Informationen zu erkaufen. Zu Hause ging alles den Bach runter. Seine Mutter lag wie ein Häufchen Elend im Bett. Sein Vater jammerte und wehklagte, kratzte sich den Kopf und hatte überall Ekzeme: am Hals, an den Ellbogen, an den Augenbrauen, an den Armen, an den Beinen, am Oberkörper und sogar am linken Hoden, dem des Herzens. Man hörte die Fliegen fliegen, aber kein einziges ausgelassenes Lachen mehr! Keine Besucher mehr, keine feuchtfröhlichen Mittagessen, kein Zigarrengeruch, der ihm in die Nase stach, keine fummelnden Papa-Hände mehr, die an Mamans Körper herumwanderten, woraufhin sie sich mit jenem kehligen Lachen gegen ihn sinken ließ, das er so gern mochte. Oh! Marceeel! Marceeel! Es rollte in ihrer Brust wie warmes Gurgelwasser, wie ein glückliches Lied. Nichts mehr davon. Undurchdringliche Stille, Leichenbittermienen und unterdrücktes Schluchzen. Meine arme Maman, jemand hat dich verflucht, das weiß ich genau. Nur Ärzte sprechen von Depressionen. Diese Trottel! Sie haben vergessen, woher wir kommen, sie haben vergessen, dass wir mit dem Himmel verbunden sind und nur als Touristen auf Erden wandeln. Wie die meisten Menschen übrigens! Sie halten sich für unglaublich bedeutend und glauben, sie beherrschten alles: den Himmel und die Erde, das Feuer und den Wind, das Meer und die Sterne. Die stolzieren herum wie die Gockel. Wenn man sie reden hört, könnte man meinen, sie hätten die Welt höchstpersönlich erschaffen! Sie haben so sehr vergessen, woher sie stammen, dass sie sich rühmen, stärker zu sein als Gut und Böse, als die Engel und die Teufel, als Gott und Satan. Ihr kleines Menschenhirn gibt ihnen großspurige Reden ein. Sie berufen sich auf die Vernunft, auf das Eins-plus-eins, das Ich-glaub-nur-was-ich-seh und spotten über den naiven Tropf, der solchen Hirngespinsten
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