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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Glauben schenkt. Ich, der ich noch vor Kurzem ein gemütliches Leben bei den Engeln führte, ich weiß Bescheid. Ich weiß, dass wir von dort oben kommen und auch wieder dorthin zurückkehren. Ich weiß, dass man sich für eine Seite entscheiden muss, ich weiß, dass man gegen die andere Seite kämpfen muss, und ich weiß, dass die Bösen Josiane entführt haben und ihr an den Kragen wollen. Damit Henriette ihre Kohle zurückbekommt. Ich weiß das. Auch wenn ich gerade erst laufen lerne, habe ich deswegen noch lange nicht vergessen, woher ich komme.
    Als man mich da oben fragte, ob ich noch einmal auf der Erde Dienst tun wolle, bei einem reizenden Paar, das so bitterlich darunter litt, kein Kind zu haben, und Novenen über Novenen betete, um endlich ein hübsches, knuddeliges, goldiges Baby zu bekommen, da habe ich sie mir gründlich angeschaut, die Josiane und den Marcel, und ich fand sie rührend. Großzügig, verdienstvoll, nett, und schlau obendrein. Also habe ich Ja gesagt, warum nicht? Aber das ist meine letzte Mission. Dort oben hat man es doch viel bequemer, und außerdem habe ich noch viel zu tun, muss Bücher lesen, Filme anschauen, Dinge erfinden, Formeln entdecken, und es ist ja bekannt, dass das Leben hier unten weiß Gott kein Spaziergang ist. Es ist geradezu die Hölle. Ständig wirft einem jemand Knüppel zwischen die Beine. Das nennen sie dann Eifersucht, Neid, Bosheit, Hinterhältigkeit, die Verlockung des Geldes. Es hat Unmengen von Namen, genau wie die sieben Todsünden, und es hält einen enorm auf. Man kann von Glück reden, wenn man es schafft, ein, zwei Ideen umzusetzen! Nehmen Sie Mozart zum Beispiel. Ich kenne ihn gut. Er war mein Nachbar dort oben. Denken Sie nur daran, wie er geendet hat: beneidet, kopiert, lächerlich gemacht, völlig verarmt. Dabei gibt es keinen charmanteren, fröhlicheren Menschen als ihn! Eine wahre Freude! Eine Sinfonie!
    Aber gut …
    Er hatte mit Mozart über seine Abreise gesprochen, und der hatte gesagt, warum nicht, es sind gute Leute … Wenn ich nicht meinen Türkischen Marsch überarbeiten müsste, weil ich mich da zu einigen Nachlässigkeiten, ein paar allzu prätentiösen Arpeggien habe hinreißen lassen, würde ich selbst runtergehen und ihnen auf dem Klavier eine kleine Sonate für zwei glückliche Alte in H-Dur vorspielen. Mozart konnte er vertrauen. Er war ein guter Kerl. Bescheiden und von sonnigem Gemüt. Alle kamen sie ihn besuchen, Bach, Beethoven, Schumann und Schubert, Mendelssohn, Satie und viele andere, und er plauderte mit ihnen, ohne sich groß aufzuspielen. Sie unterhielten sich vor allem übers Geschäft, Achtel- und Sechzehntelnoten, lauter Kram, von dem er nichts verstand. Er war eher der Typ für Gleichungen, Kreide, Tafeln. Schließlich hatte er also Ja gesagt und war zu Josiane und Marcel gekommen. Eine gutmütige, liebe Mutter, ein gutmütiger, lieber Vater. Zwei reizende Menschen, die lange vom Unglück verfolgt gewesen waren, doch schließlich hatte der Himmel sich erbarmt und beschlossen, sie für die Dienste zu belohnen, die sie der Menschheit erwiesen hatten.
    Wie sich die beiden Alten über seine Ankunft gefreut hatten! Sie hielten es für ein Wunder. Sie zündeten Kerzen an. Sie kamen gar nicht mehr raus aus dem Beten, stotterten vor Glück. Vor allem er. Er klapperte vor Freude mit den Zähnen! Er schwenkte sein Kind herum wie eine Trophäe, präsentierte es, setzte es an den Rand seines Schreibtischs und erklärte ihm seine Geschäfte. Faszinierende Sache übrigens. Der Alte war wirklich gerissen. Clever, so was von clever! Er verscherbelte sein Zeug auf der ganzen Welt. Man musste ihn nur mal feilschen hören! Er freute sich immer riesig, wenn Marcel ihn mit ins Büro nahm. Er konnte nicht wirklich kommunizieren, weil er in diesem stammelnden, schwankenden Babykörper gefangen war, aber er gab sich größte Mühe, ihm aus seinem Stühlchen heraus Zeichen zu geben. Manchmal verstand Marcel ihn. Er kniff die Augen zusammen, fragte sich, ob er Wahnvorstellungen habe, aber er hörte auf ihn. Er sprach Chinesisch und Englisch mit ihm, zeigte ihm Bilanzen, Finanzanalysen und die Zusammenfassungen von Studien. Er konnte sich nicht beklagen: Mit dem Alten hatte er es gut getroffen. Er hatte eine göttliche Intuition. Schlimm waren die anderen: die über ihm hingen, ihn besabberten und Hanswurstgrimassen schnitten! Über seiner Wiege wurden die Münder zu Furcht erregenden Wasserspeiern. Sie schenkten ihm idiotische Spielsachen.

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