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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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seufzte Zoé und richtete sich auf. »Wann kommt Hortense zurück, Maman?«
    »Ich weiß es nicht …«
    »Und Gary, wann kommt der?«
    »Ich habe keine Ahnung, Liebes.«
    »Und Shirley? Hast du was von Shirley gehört?«
    »Ich habe gestern versucht, sie anzurufen, aber sie ist nicht rangegangen. Wahrscheinlich ist sie übers Wochenende weggefahren.«
    »Ich vermisse sie … Wir haben ja nicht gerade viele Verwandte, was, Maman?«
    »Stimmt. Wir haben sogar ziemlich wenige«, entgegnete Jo betont fröhlich.
    »Und was ist mit Henriette? Könntest du dich nicht wieder mit ihr versöhnen? Dann hätte ich wenigstens eine Oma. Auch wenn sie nicht will, dass wir sie so nennen!«
    Alle nannten Henriette beim Vornamen, sie verwahrte sich strikt dagegen, als »Oma« oder »Großmama« angesprochen zu werden.
    Zoé hatte eine betont. Antoine hatte auch keine Familie. Er war ein Einzelkind, seine Eltern waren schon lange tot, und mit seinen Onkeln, Tanten und Vettern hatte er sich überworfen.
    »Du hast einen Onkel und einen Cousin, das ist immerhin etwas.«
    »Das ist wenig. Die Mädchen in meiner Klasse haben alle richtige Familien …«
    »Vermisst du Henriette wirklich?«
    »Kommt schon mal vor.«
    »Man sagt nicht ›kommt schon mal vor‹, sondern ›manchmal‹, Schatz …«
    Zoé nickte, korrigierte sich aber nicht. Woran denkt sie?, fragte sich Joséphine, während sie ihre Tochter betrachtete. Ihre Züge hatten sich verdüstert. Joséphine verfolgte auf dem Gesicht ihrer Tochter den Fortgang ihrer Überlegungen, ihr stummes Zwiegespräch mit sich selbst. Zoés Augen verdunkelten sich, hellten sich wieder auf, ihre Brauen zuckten. Schließlich bohrte sie ihren Blick in den ihrer Mutter und fragte ängstlich: »Findest du, dass ich aussehe wie ein Mann, Maman?«
    »Überhaupt nicht! Wie kommst du denn darauf?«
    »Meine Schultern sind nicht zu breit?«
    »Nein! Wie kommst du auf die Idee?«
    »Ich habe die Elle gekauft. Alle Mädchen in meiner Klasse lesen die …
    »Ja und?«
    »Man sollte die Elle nicht lesen. Die Mädchen darin sind viel zu schön … Ich werde nie so aussehen wie sie.«
    Sie kaute mit vollen Backen an ihrem vierten Butterbrot.
    »Ich finde dich jedenfalls sehr hübsch, und ich finde nicht, dass du breite Schultern hast.«
    »Das ist ja auch normal, du bist meine Mutter. Mütter finden ihre Töchter immer hübsch. Hat Henriette dir das nicht auch gesagt?«
    »Ehrlich gesagt, nein! Sie sagte immer, ich sei nicht hübsch, aber mit etwas gutem Willen könne man mich immerhin interessant finden.«
    »Wie warst du als kleines Mädchen?«
    »Ein hässliches Entlein!«
    »Warst du sexy?«
    »Kann man nicht behaupten.«
    »Und wie hast du dann Papa rumgekriegt?«
    »Sagen wir, er fand mich interessant.«
    »Papa hat ein gutes Auge, was, Maman? Was glaubst du, wann kommt er wieder zurück?«
    »Ich habe keine Ahnung, Liebes … Musst du für Montag noch Hausaufgaben machen?«
    Zoé nickte.
    »Dann mach sie, bevor du ins Kino gehst, danach hast du bestimmt keine Lust mehr dazu.«
    »Können wir heute Abend zusammen einen Film schauen?«
    »Zwei Filme an einem Tag?«
    »Ja, aber wenn wir uns ein Meisterwerk der Filmgeschichte ansehen, ist das etwas anderes, das gehört ja quasi zur Allgemeinbildung. Ich werde Regisseurin, wenn ich groß bin. Dann verfilme ich Die Elenden …«
    »Was hast du im Moment bloß immer mit den Elenden , Zoé?«
    »Das Buch ist so schön, Maman. Bei Cosette mit ihrem Eimer und ihrer Puppe muss ich immer weinen … und danach verliebt sie sich in Marius, und alles wird gut. Sie hat nie wieder Liebeskummer.«
    Und was macht man, wenn die Liebe einem das Herz bricht, in tausend Stücke, sodass man glaubt, es könne nie wieder ganz werden?, fragte sich Joséphine auf dem Weg zu ihrem Treffen mit Luca. Wer kann mir sagen, was er für mich empfindet? Ich traue mich nicht, »Ich liebe Sie« zu sagen, weil ich fürchte, dieses Wort sei zu groß. Ich weiß genau, dass in meinem »Ich liebe Sie« ein »Lieben Sie mich?« mitschwingt, das ich nicht auszusprechen wage, aus Angst, er könne einfach weggehen, die Hände in den Taschen seines Dufflecoats vergraben. Bedeutet zu lieben für eine Frau denn zwangsläufig Angst und Schmerz?
    Er wartete bei den Booten auf sie. Saß auf einer Bank, die Hände in den Taschen, die Beine ausgestreckt. Seine lange Nase war zu Boden gerichtet, eine braune Strähne hing ihm ins Gesicht. Jo blieb kurz stehen und musterte ihn, ehe sie auf ihn zuging. Das

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