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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Schlimme ist, dass ich die Liebe nicht leichtnehmen kann. Ich würde dem Mann, den ich liebe, am liebsten stürmisch um den Hals fallen, aber ich habe solche Angst davor, ihn zu verschrecken, dass ich ihm verschämt eine Wange zum Kuss reiche. Wenn er mich ansieht, wenn er meinen Blick auffängt, passe ich mich seiner Stimmung an. Ich werde zu der Geliebten, die er sich gerade wünscht. Fern von ihm glühe ich vor Leidenschaft, doch sobald er näher kommt, reiße ich mich zusammen. Sie wissen das nicht, Luca Giambelli, Sie halten mich für ein verängstigtes Mäuschen, aber wenn Sie die Liebe berühren könnten, die in mir lodert, würden Sie sich eine Verbrennung dritten Grades zuziehen. Mir gefällt diese Rolle: Sie zum Lächeln zu bringen, Sie zu beruhigen, Sie zu bezaubern, ich spiele die sanfte, geduldige Krankenschwester, verwandle die Krumen, die Sie mir überlassen, in dicke Brotscheiben. Wir treffen uns mittlerweile seit einem Jahr, und ich weiß noch immer nicht mehr über Sie als das, was Sie mir bei unserer ersten Verabredung zugeflüstert haben. In der Liebe gleichen Sie einem Mann ohne große Lust.
    Er hatte sie gesehen. Er stand auf. Küsste sie auf die Wange, ein leichter, beinahe brüderlicher Kuss. Joséphine verkrampfte sich, spürte den leisen Schmerz, den dieser Kuss weckte. Heute werde ich mit ihm reden, beschloss sie mit der Kühnheit der Schüchternen. Ich werde ihm erzählen, was mir zugestoßen ist. Was bringt einem ein Partner, wenn man seinen Kummer, seine Ängste vor ihm verbergen muss?
    »Wie geht’s, Joséphine?«
    »Es könnte besser gehen …«
    Na los, sagte sie sich, nur Mut, sei du selbst, rede mit ihm, erzähl ihm von dem Überfall, erzähl ihm von der Postkarte.
    »Ich habe zwei furchtbare Tage hinter mir«, sagte er. »Mein Bruder ist an dem Nachmittag verschwunden, als ich Sie in der Brasserie treffen sollte, die Sie so gerne mögen und die ich nicht leiden kann.«
    Er wandte sich ihr zu und deutete ein spöttisches Lächeln an.
    »Er hatte einen Termin bei dem Arzt, der ihn wegen seiner aggressiven Schübe behandelt, aber er ist nicht hingegangen. Wir haben überall nach ihm gesucht, erst heute Morgen ist er wieder aufgetaucht. Er war in einem üblen Zustand. Ich hatte das Schlimmste befürchtet. Es tut mir leid, dass ich Sie versetzt habe.«
    Er hatte nach Joséphines Hand gegriffen, und die Berührung seiner warmen, trockenen Hand verwirrte sie. Sie schmiegte ihre Wange an den Ärmel seines Dufflecoats. Rieb sich daran, als wollte sie sagen: Schon gut, ich verzeihe Ihnen.
    »Ich habe auf Sie gewartet, und dann bin ich nach Hause gegangen und habe mit Zoé zu Abend gegessen. Ich hatte mir schon gedacht, dass Sie ein Problem mit… mit Vittorio haben müssten.«
    Es kam ihr seltsam vor, einen Mann, den sie nicht kannte und der sie verabscheute, beim Vornamen zu nennen. Warum verabscheut er mich überhaupt? Ich habe ihm doch nichts getan.
    »Er kam heute Morgen nach Hause. Ich habe gestern den ganzen Tag und die ganze Nacht auf seinem Sofa gesessen und auf ihn gewartet. Er hat mich angesehen, als kennte er mich nicht. Er war völlig verstört. Er ist wortlos unter die Dusche gegangen. Ich habe ihn überredet, eine Schlaftablette zu nehmen und sich hinzulegen, er konnte ja kaum noch stehen.«
    Er umklammerte Joséphines Hand, als wollte er die Verzweiflung, die Angst der beiden vergangenen Tage auf sie übertragen.
    »Ich mache mir Sorgen um Vittorio, ich weiß nicht, was ich noch tun soll.«
    Zwei junge, schlanke Frauen joggten heran und blieben auf ihrer Höhe stehen. Nach Atem ringend, schauten sie auf ihre Uhren, um zu sehen, wie lange sie noch weiterlaufen mussten.
    »Und da habe ich ihn gefragt: Was erwartest du eigentlich von mir?«, stieß die eine keuchend hervor. »Und er hat gesagt … weißt du, was dieser Kerl gewagt hat, mir darauf zu antworten? Dass du endlich aufhörst, mich zu bedrängen! Ich soll ihn bedrängen? Ich sag dir was, ich glaube, ich mach Schluss. Ich ertrage diesen Typen nicht mehr. Was denn noch? Soll ich seine Geisha spielen? Immer schön den Mund halten? Brav am Herd stehen und die Beine breit machen, wenn ihm danach ist? Dann lebe ich doch lieber alleine. Wenigstens habe ich dann meine Ruhe und nicht so viel Arbeit!«
    Mit wütender Entschlossenheit schlang die junge Frau die Arme um ihren Oberkörper, und ihre genervt dreinblickenden braunen Mandelaugen glühten vor Zorn. Ihre Freundin stimmte ihr schniefend zu. Dann gab sie das Signal zum

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