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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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siebenundvierzigeinhalb fängt man nicht noch einmal von vorn an. Man flickt sein Leben, man spachtelt die Löcher zu, aber man bekommt kein neues mehr.
    Nein, sagte sie sich, während sie um eine Lösung rang und der Schlaf sie allmählich übermannte, ich brauche schnell, schnell einen neuen Ehemann. Reicher, bedeutender, mächtiger als Philippe. Einen ganz großartigen Ehemann. Der mich betört, der mich in seinen Bann schlägt, den ich bewundern kann wie ein kleines Mädchen. Der mein Leben in die Hand nimmt, der mich wieder mitten in die Welt katapultiert. Mit Geld, Beziehungen, Dinnerpartys in Paris. Ich bin noch attraktiv. Sobald ich hier rauskomme, werde ich wieder zur schönen, zur wundervollen Iris.
    »Mein erster positiver Gedanke, seit ich hier eingesperrt bin«, murmelte sie und zog die Decke bis unters Kinn hoch, »vielleicht werde ich ja langsam wieder gesund?«
    Am Sonntagmorgen rief Luca an. Tags zuvor hatte Joséphine drei Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen. Er hatte nicht reagiert. Das ist kein gutes Zeichen, hatte sie sich gesagt. Tags zuvor hatte sie auch Marcel Grobz angerufen und ihn um Mylènes Nummer gebeten. Sie musste mit ihr reden. Musste herausfinden, ob sie ebenfalls eine Karte von Antoine bekommen hatte. Ob sie wusste, wo er sich aufhielt, was er machte und ob er tatsächlich noch am Leben war. Ich kann es nicht glauben, ich kann es einfach nicht glauben, sagte sich Joséphine immer wieder. Der Brief in dem Paket sprach von seinem schrecklichen Tod. Das war doch eindeutig ein Beileidsschreiben.
    Diese Entwicklung verstörte sie zutiefst. Fast hätte sie darüber sogar den Überfall vergessen. Die beiden Ereignisse prallten in ihrem Kopf aufeinander, ließen sie gleichzeitig erzittern und grübeln. Es fiel ihr schwer, Zoé zu antworten, die, völlig euphorisch bei der Aussicht, dass ihr Vater bald wieder zurückkommen würde, tausend Fragen stellte, Pläne schmiedete, sich das Wiedersehen, die Küsse ausmalte und kaum still sitzen konnte. Sie erinnerte an eine quirlige Cancan-Tänzerin mit kindlichem Lockenschopf.
    Sie saßen gerade beim Frühstück, als das Telefon klingelte.
    »Joséphine, ich bin’s, Luca.«
    »Luca! Wo haben Sie gesteckt? Ich habe gestern den ganzen Tag über versucht, Sie zu erreichen.«
    »Ich konnte nicht mit Ihnen reden. Haben Sie heute Nachmittag Zeit? Wir könnten am See spazieren gehen.«
    Joséphine dachte hastig nach. Zoé wollte mit einem Mädchen aus ihrer Klasse ins Kino, das ließ ihr drei freie Stunden.
    »Um fünfzehn Uhr bei den Booten?«, schlug sie vor.
    »Ich werde da sein.«
    Ohne ein weiteres Wort legte er auf. Er war kurz angebunden gewesen. Kein Hauch von Zärtlichkeit in seiner Stimme. Sie kniff die Augen zu, um die Tränen zurückzudrängen.
    »Alles in Ordnung, Maman?«
    Zoé sah beunruhigt zu ihr hoch.
    »Es ist wegen Luca. Ich habe Angst, dass seinem Bruder etwas zugestoßen sein könnte, weißt du, Vittorio.«
    »Ach so …«, antwortete Zoé, erleichtert, dass die sorgenvolle Miene ihrer Mutter einem Fremden galt.
    »Möchtest du noch etwas Brot?«
    »O ja, gerne, Maman.«
    Joséphine steckte zwei Brotscheiben in den Toaster.
    »Mit Honig?«, fragte sie.
    Sie bemühte sich, munter zu klingen, damit Zoé ihre Traurigkeit nicht bemerkte. Ihr Herz fühlte sich leer an. Mit Luca bin ich nur hin und wieder glücklich. Ich muss mir mein Glück zusammenstehlen. Er schließt die Augen, tut so, als sähe er mich nicht, und lässt sich von mir etwas Zärtlichkeit rauben. Ich liebe ihn gegen seinen Willen.
    »Dem leckeren Honig von Hortense?«
    Joséphine nickte.
    »Sie wäre nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass wir davon nehmen, wenn sie nicht da ist.«
    »Du wirst das Glas ja nicht gleich leer essen!«
    »Wer weiß?«, entgegnete Zoé mit gefräßigem Lächeln. »Das ist ja ein ganz neues Glas. Wo hast du ihn gekauft?«
    »Auf dem Markt. Der Händler hat gesagt, ich soll ihn vor dem Öffnen im Wasserbad anwärmen, damit er schön flüssig wird und auch beim Abkühlen nicht wieder erstarrt.«
    Beim Gedanken an das Honigritual, das sie jetzt für Zoé zelebrieren würde, verschwamm die Erinnerung an Luca. Sie entspannte sich.
    »Du bist so süß«, sagte sie lächelnd und zerzauste Zoés Haar. »Du solltest dir die Haare kämmen, sonst bekommst du noch Knoten rein.«
    »Ich wünschte, ich wäre ein Koalabär … Dann brauchte ich mich nie zu kämmen.«
    »Sitz gerade!«
    »Das Leben ist so anstrengend, wenn man kein Koalabär ist!«,

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