Der langsame Walzer der Schildkroeten
kommt?«
»Die Kinder haben Getränke geholt …«
»Du hattest eine Wildlederjacke an, ein weißes T-Shirt, einen karierten Schal, goldene Ohrringe.«
»Du hast gefragt: ›Alles in Ordnung bei dir?‹, und ich sagte: ›Ja‹!«
»Und ich wollte dich so gerne küssen.«
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen.
»Aber wir haben uns nicht …«, setzte er an.
»Nein.«
»Wir haben uns gesagt, dass wir es nicht dürften.«
»…«
»Dass es verboten sei.«
Sie nickte.
»Und wir hatten recht.«
»Ja«, flüsterte sie und versuchte, ein Stück von ihm abzurücken.
»Es ist verboten.«
»Strengstens verboten.«
Er zog sie wieder fester an sich, streichelte ihr Haar und flüsterte: »Danke für dieses Familienfest, Jo.«
Seine Lippen streiften die ihren. Sie schwankte, drehte den Kopf zur Seite.
»Philippe, du weißt doch … ich glaube … wir sollten nicht …«
Er richtete sich auf, sah sie an, als verstünde er nicht, was sie meinte, rümpfte die Nase und fragte: »Riechst du das auch, Joséphine? Läuft da etwa die Füllung aus? Es wäre doch schade, wenn wir gleich eine ausgetrocknete, leere Hülle essen müssten!«
Joséphine drehte sich um und öffnete die Backofentür. Er hatte recht: Der Truthahn lief langsam aus. Eine kleine braune Lawine, deren Ränder allmählich schwarz wurden. Sie fragte sich gerade, wie sie diesen Aderlass stoppen sollte, als sich Philippes Hand auf die ihre legte, und gemeinsam schoben sie vorsichtig mit dem Löffel die überquellende Füllung zurück in den Bauch des Vogels.
»Ist sie gut? Hast du schon probiert?«, fragte Philippe in Joséphines Nacken.
Sie schüttelte den Kopf.
»Hast du die Backpflaumen eingeweicht?«
»Ja.«
»In Wasser mit einem Schuss Armagnac?«
»Ja.«
»Gut.«
Er flüsterte in ihren Nacken, und sie spürte, wie sich die Worte in ihre Haut einprägten. Seine Hand lag immer noch auf ihrer. Er führte sie zu der duftenden Füllung, nahm ein wenig Hackfleisch, Kastanien, Backpflaumen und Quark, hob den dampfenden Löffel langsam, ganz langsam an ihrer beider Lippen, bis sie einander berührten. Sie schlossen die Augen und kosteten die herrliche Backpflaumenfüllung, die in ihren Mündern schmolz. Sie seufzten, und ihre Lippen trafen sich zu einem langen, aromatischen, zärtlichen Kuss.
»Vielleicht noch ein bisschen Salz«, schlug Philippe vor.
»Philippe …«, flehte Joséphine und stieß ihn zurück. »Wir sollten nicht …«
Er presste sie an sich und lächelte. Etwas von der fettigen Soße lief ihm aus dem Mundwinkel, und sie verspürte den Wunsch, daran zu lecken.
»Du bist witzig!«
»Wieso?«
»Du bist die witzigste Frau, der ich jemals begegnet bin.«
»Ich?«
»Ja, du bist so unglaublich ernst, dass man Lust bekommt, einfach loszulachen und auch dich zum Lachen zu bringen …«
Und immer noch diese Worte, die sich wie feiner Dunst auf ihre Lippen legten.
»Philippe!«
»Deine Füllung ist übrigens sehr lecker, Joséphine …«
Und wieder machte er sich mit dem Löffel auf die Suche, hob die Kostprobe an Joséphines Lippen, beugte sich vor, wie um zu fragen: »Darf ich probieren?« Seine Lippen näherten sich den ihren, streiften sie, seine sanften, vollen, nach Pflaumensaft mit einem Hauch Armagnac schmeckenden Lippen, und von einem gleißenden Glücksversprechen durchströmt, erkannte sie, dass die Entscheidung nicht mehr in ihrer Hand lag, dass sie jene Grenzen überschritten hatte, die sie doch niemals hatte übertreten wollen. Irgendwann muss man einsehen, dass Grenzen die anderen nicht von uns fernhalten können, dachte sie bei sich, sie beschützen uns nicht vor Problemen, vor Versuchungen, sie schließen uns nur ein, schneiden uns vom wahren Leben ab. Und dann beschließt man entweder, innerhalb seiner Grenzen zu bleiben und zu vertrocknen, oder man überschreitet sie und gönnt sich tausend Genüsse.
»Ich kann dich denken hören, Jo. Hör auf, dein Gewissen zu erforschen!«
»Aber …«
»Hör auf, sonst habe ich gleich noch das Gefühl, eine Nonne zu küssen!«
Aber es gibt Grenzen, die zu überschreiten viel zu gefährlich wäre, Grenzen, die man unter keinen Umständen verletzen darf, und genau das tue ich gerade, und mein Gott, mein Gott, fühlt es sich gut an, in den Armen dieses Mannes zu liegen!
»Es ist nur …«, stammelte sie noch. »Es kommt mir so vor, als …«
»Joséphine! Küss mich!«
Er presste sie an sich und verschloss ihren Mund, als wollte er sie beißen. Sein Kuss wurde grob,
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