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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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mir niemals träumen lassen, dass … Ach, guck nur, kleine Jo, jetzt fang ich noch an zu heulen!«
    Seine Stimme zitterte, seine Augen blinzelten, und er versuchte die Rührung zurückzudrängen, die ihn zu überwältigen drohte. Auch Joséphine spürte plötzlich, wie sich ihr die Kehle zusammenschnürte, und Josiane wandte sich ab, damit niemand sah, wie sie schniefte.
    Diesen Moment wählte Junior, um die melancholische Stimmung zu vertreiben, indem er seinem Stühlchen einen kräftigen Schlag mit der Flasche versetzte, als wollte er sagen: Genug jetzt mit dem Theater, mir ist langweilig, los, Action!
    Überrascht wandten sich alle ihm zu. Er lächelte sie strahlend an und streckte den Kopf vor, wie um sie zu ermuntern, sich mit ihm zu unterhalten.
    »Das sieht ja fast so aus, als wollte er mit uns reden«, sagte Gary verwundert.
    »Hast du gesehen, wie er den Hals reckt?«, fragte Hortense und dachte im Stillen, dass er wirklich hässlich aussah, wenn er den Kopf so vorschob, mit seinem langen, biegsamen Hals, den schmalen Lippen und den hervorquellenden Augen.
    »Ständig muss man mit ihm reden, sonst langweilt er sich …«, erklärte Josiane seufzend.
    »Das stelle ich mir stressig vor«, bemerkte Shirley.
    »Und man darf ihm auch nicht irgendwas erzählen, sonst wird er wütend! Man muss ihn zum Lachen bringen, ihn überraschen oder ihm etwas beibringen.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte Gary. »Er ist doch noch zu klein, um etwas zu verstehen.«
    »Das sagen wir uns ja auch immer, aber jedes Mal werden wir aufs Neue überrascht!«
    »Das ist für Sie beide sicher ziemlich anstrengend«, sagte Joséphine mitfühlend.
    »Wartet mal …«, sagte Gary, »ich werde ihm etwas erzählen, was er nicht verstehen kann. Absolut unmöglich.«
    »Nur zu«, drängte ihn Marcel, von der grenzenlosen Klugheit seines Sprösslings überzeugt.
    Gary konzentrierte sich und suchte eine ganze Weile nach einem raffinierten Wortspiel, mit dem er den Bengel testen könnte. Was hat er doch für ein komisches Gesicht, dachte er unwillkürlich, als er bemerkte, dass Junior ihn nicht aus den Augen ließ und mit leisen Rufen seine Ungeduld äußerte.
    »Ich hab’s!«, rief er schließlich triumphierend. »Streng dich ruhig an, Kleiner, das kapierst du nie!«
    Junior reckte das Kinn wie ein erzürnter Gladiator, hielt sein Fläschchen hoch wie einen Schild und musterte seinen Gegner herausfordernd.
    »Sind eingefleischte Vegetarier eigentlich ein Fall für den Psychiater?«, fragte Gary und betonte jedes Wort überdeutlich, als diktierte er sie einem Analphabeten.
    Junior lauschte, Kopf und Schultern nach vorn gebeugt, sein Kopf wiegte sich hin und her, seine Arme hingen schlaff herab. Er verharrte einen Moment in dieser Haltung, zog die Stirn kraus, dunkelrote Flecken erschienen auf seinen Wangen, er knurrte kurz. Dann entspannte er sich, warf den Kopf in den Nacken, brach in dröhnendes Gelächter aus, klatschte in die Hände und trampelte mit den Füßen, um zu zeigen, dass er verstanden hatte. Er tat, als stopfte er sich etwas in den Mund, schüttelte den Kopf und tippte sich mit einem Finger an die Schläfe.
    »Hat er wirklich begriffen, was ich gesagt habe?«, fragte Gary.
    »Offenbar ja«, antwortete Marcel Grobz und faltete mit verzückter Miene seine Serviette auf. »Und er hat ja auch allen Grund zu lachen, das ist ziemlich komisch!«
    Verblüfft musterte Gary das rothaarige, rosige Baby in seinem blauen Strampelanzug, das ihn lachend ansah und dessen Blick ihn aufforderte: Mehr, erzähl mir mehr solcher Sachen, bring mich zum Lachen, diese Babysprüche langweilen mich zu Tode.
    »Das ist total irre!«, schluckte Gary. »This baby is crazy!«
    »Kräisiii!«, wiederholte Junior und sabberte auf seinen Strampelanzug.
    »Der Zwerg ist echt genial!«, rief Hortense.
    Bei dem Wort »genial« gurrte Junior vor Freude, und um ihr zu beweisen, wie recht sie mit ihrer Einschätzung hatte, richtete er sein Fläschchen auf einen Spot an der Decke und sagte klar und deutlich: »Lampe …«
    Angesichts ihrer verblüfften Mienen ließ er ein begeistertes kehliges Lachen erklingen und fügte mit einem verschmitzten Funkeln in den Augen hinzu: »Light!«
    »Das ist ja …«
    »Nicht zu glauben! Das sage ich doch die ganze Zeit«, entgegnete Marcel, »aber mir glaubt ja keiner!«
    »Luz …«, fuhr Junior fort, den Zeigefinger immer noch in Richtung des brennenden Spots ausgestreckt.
    »Und auch noch Spanisch! Dieses Kind ist ja

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