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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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und sie übereinander herfielen. Es hatte ein Blutbad gegeben, bei dem die Stärksten gesiegt und wieder die Herrschaft über die Kolonie übernommen hatten. Die Weibchen ließen sich ohne aufzumucken schwängern. »Sie riechen den Herrn und gehorchen«, prahlte er am Telefon, während Mister Wei mit gespreizten Beinen auf seinem Stuhl saß und sich die Eier kratzte. Der will mir auch zeigen, wer hier der Herr ist, hatte Mylène gedacht und ihn etwas gequält angelächelt.
    Sie musste ihm einen Brief mitgeben, damit er ihn einwarf. Sie setzte sich an ihren aus Treibholz gefertigten Sekretär, auf dem die Fotos von Hortense und Zoé standen, öffnete eine Schublade und zog ihren Ordner heraus. Sie kopierte jeden Brief, um sich nicht zu wiederholen. Sie seufzte. Kaute auf der Kappe des Kugelschreibers herum. Sie musste darauf achten, keine Rechtschreibfehler zu machen. Deshalb schrieb sie nie sehr lange Texte.
    »Wann genau kommen sie noch mal?«, fragte Josiane, als sie, sich das Kreuz massierend, aus dem Badezimmer kam.
    Seit zwei Wochen schlief sie schlecht. Ihr Nacken fühlte sich an wie eingegipst, und kleine Messer bohrten sich ihr in den Rücken.
    »Um halb eins! Philippe kommt auch mit. Und Alexandre. Und eine gewisse Shirley und ihr Sohn Gary. Sie kommen alle! Ich platze gleich vor Freude! Jetzt kann ich dich endlich allen präsentieren, meine Königin! Dieser erste Januar ist ein großer Tag!«
    »Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?«
    »Sei doch nicht so grummelig. Joséphine hat dieses Mittagessen vorgeschlagen. Sie hatte uns zu sich eingeladen, aber ich dachte, du würdest dich wohler fühlen, wenn sie zu uns kommen. Denk doch mal an Junior. Er braucht eine Familie.«
    »Die sind nicht seine Familie!«
    »Aber da wir keine eigene haben, leihen wir uns eben eine!«
    »Familien sind völlig aus der Mode, so was hat kein Mensch mehr …«, murrte sie.
    Er beachtete sie gar nicht, sondern träumte vor sich hin, schuf sich seine neue Welt.
    »Früher haben sie immer nur erlebt, wie mich der Zahnstocher angeschnauzt, zusammengestaucht und lächerlich gemacht hat. Aber jetzt bin ich der Sonnenkönig in der Spiegelgalerie! He, ihr Untertanen, seht meinen Palast, meine Lakaien, meinen kleinen Prinzen! Frau, bring mir meine gepuderte Perücke und meine Schnallenschuhe!«
    Er warf sich rücklings aufs Bett, die Arme ausgebreitet, seine Riesenschenkel kaum vom weißen Hemd bedeckt. Marcel Grobz. Ein Koloss aus rotblondem Haar, üppigen Schwabbelringen und sommersprossigem Fleisch, das Ganze überstrahlt von zwei vergissmeinnichtblauen Augen mit messerscharfem Blick.
    Josiane ließ sich neben ihn fallen. Er war frisch rasiert und parfümiert. Auf einem Stuhl lagen ein grauer Alpakaanzug, eine blaue Krawatte und die dazu passenden Manschettenknöpfe bereit.
    »Du machst dich ja richtig hübsch …«
    »Ich fühle mich richtig hübsch, Choupette. Das ist etwas anderes!«
    Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und lächelte.
    »Und früher fühltest du dich nicht hübsch?«
    »Früher war ich eine hässliche Kröte. Ich frage mich, wie du es bloß über dich gebracht hast, mich anzusehen …«
    Zugegeben, ein griechischer Gott war er nicht gerade, ihr Marcel. Anfangs hatte sie sich eher von seinem Geld angezogen gefühlt als von seinem Charme, das konnte sie nicht leugnen, aber sehr schnell hatten seine Vitalität und seine Großzügigkeit ihr Herz berührt, und so war sie erst seine offizielle Geliebte und dann die Frau an seiner Seite und Mutter seines Kindes geworden.
    »Ich hab das Komplettpaket genommen, da hab ich auf die Details nicht so geachtet!«
    »Das sagt man doch bloß bei den Hässlichen! Gleich kommst du mir noch mit inneren Werten! Aber das ist mir wurscht, heute bin ich der Kalif von Bagdad.«
    »Noch sexier als der Kalif …«
    »Hör auf, Choupette, du machst mich schon wieder scharf! Guck mal da! Aufrecht wie ein Schiffsmast im Sturm! Aber wenn wir jetzt wieder ins Bett gehen, stehen wir so bald nicht mehr auf!«
    Sein Verlangen nach ihr hatte nicht nachgelassen. Dieser Mann war dafür geschaffen, zu genießen, zu essen, zu trinken, zu lachen, Berge zu besteigen, Bäume zu pflanzen, Donner und Blitz abzuwehren. Und diese Schlange Henriette hatte einen parfümierten Pudel aus ihm machen wollen! Sie hatte schon wieder von ihr geträumt. Was hat die Alte bloß in meinen Träumen zu suchen?
    »Hast du in letzter Zeit mal was vom Zahnstocher gehört?«, fragte sie vorsichtig.
    »Die will sich

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