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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Alle Hausbewohner waren nacheinander einbestellt worden. Jeder musste angeben, wo er in der Mordnacht zur fraglichen Zeit gewesen war. Capitaine Gallois reichte ihr das Protokoll ihrer Aussage vom Vortag. Joséphine las es durch und unterschrieb. Währenddessen erhielt Capitaine Gallois einen Anruf. Der Anrufer, es musste sich um einen Vorgesetzten handeln, sprach mit lauter Stimme. Joséphine konnte nicht umhin, zu hören, was er sagte.
    »Ich hänge hier im Siebenundsiebzigsten fest. Ich schicke Ihnen ein Team vorbei, um die Akten abzuholen. Sind Sie mit der Vernehmung der Zeugen durch?«
    Capitaine Gallois antwortete ihm mit gerunzelter Stirn.
    »Wir haben neue Erkenntnisse«, fuhr er fort. »Das Opfer ist die Nichte eines ehemaligen Pariser Polizeikommissars. Das ist ein heißes Eisen! Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben. Halten Sie sich streng an die Vorschriften, ich übernehme, sobald ich hier fertig bin …«
    Gedankenverloren legte Capitaine Gallois auf.
    »Sind Sie am Freitagabend nicht mit Ihrem Hund rausgegangen?«, fragte sie nach einer langen Pause, in der sie mehrere Büroklammern auseinander- und wieder zusammengebogen hatte.
    Joséphine wurde unsicher. Das stimmte: Sie musste mit Du Guesclin draußen gewesen, am Müllraum vorbeigekommen, vielleicht sogar dem Mörder begegnet sein. Ein paar Sekunden saß sie mit offenem Mund da und versuchte sich zu erinnern. Die Polizistin hielt ihre schwarzen Augen unverwandt auf sie gerichtet. Joséphine zögerte. Sie konzentrierte sich und legte die Hände flach auf ihre Knie, damit sie nicht zitterten.
    »Denken Sie nach, Madame Cortès, das ist wichtig. Das Verbrechen wurde Freitagabend verübt, die Leiche am Sonntagabend gefunden. Sie müssen am Abend der Tat mit Ihrem Hund draußen gewesen sein. Haben Sie nichts gehört, ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
    Joséphine drückte ihre Hände, die schon wieder hektisch flatterten, auf die Knie und konzentrierte sich darauf, was sie am Freitagabend gemacht hatte. Sie hatte die Versammlung verlassen, war mit Lefloc-Pignel zu Fuß nach Hause gegangen. Sie hatten sich unterhalten, er hatte ihr von seiner Kindheit erzählt, davon, wie er irgendwo in der Normandie einfach ausgesetzt worden war, von der Druckerei, und dann … Sie entspannte sich und lächelte.
    »Natürlich nicht, nein! Du Guesclin ist mir doch erst am Samstagmorgen zugelaufen! Wie dumm von mir!«, rief sie, erleichtert darüber, dem drohenden Gefängnis entronnen zu sein.
    Capitaine Gallois wirkte enttäuscht. Sie las das von Joséphine unterzeichnete Protokoll ein letztes Mal durch und verkündete anschließend, dass sie jetzt gehen könne. Man werde ihr Bescheid geben, wenn ihre Anwesenheit noch einmal benötigt werde.
    Draußen im Flur warteten Monsieur und Madame van den Brock.
    »Viel Glück«, flüsterte Joséphine ihnen zu, »sie ist nicht gerade umgänglich.«
    »Ich weiß«, seufzte Monsieur van den Brock, »sie haben uns heute Morgen schon vernommen und uns gebeten, noch einmal herzukommen.«
    »Ich frage mich, warum sie uns wieder herbestellt haben«, ergänzte Madame van den Brock. »Vor allem diese Polizistin! Die hat etwas gegen uns.«
    Verwirrt trat Joséphine hinaus auf die Straße. Capitaine Gallois verdächtigt mich, obwohl ich überhaupt nichts getan habe. Etwas an mir macht sie ungehalten. Schon von Anfang an. Weil ich überfallen wurde und mich geweigert habe, Anzeige zu erstatten? Sie glaubt, ich sei in den Mord verwickelt: Ich habe Mademoiselle de Bassonnière in den Müllraum gelockt, ich habe die Tür hinter ihr zugesperrt, ich habe sie dem Mörder ausgeliefert. Ich habe Schmiere gestanden, während er sie erstochen hat, und dann bin ich zwei Tage später an den Ort des Verbrechens zurückgekehrt und habe so getan, als würde ich die in den Teppich eingerollte Leiche finden. Und warum? Weil die Bassonnière eine Akte über mich hatte. Oder über Antoine. Das ist es: Ich habe Antoine geholfen, sich diese Frau vom Hals zu schaffen, weil sie ihm gedroht hat … Von ihrem Onkel hatte sie erfahren, dass Antoine überhaupt nicht tot ist, sie hatte herausgefunden, dass er krumme Geschäfte machte, dass er ein Interesse daran hatte, dass ihn alle für tot hielten, und dass … Er ist nicht tot, denn er stiehlt meine Bonuspunkte. Er ist nicht tot, denn er schickt Briefe und Postkarten. Er ist nicht tot, denn er sitzt in der Métro und trägt rote Rollkragenpullover. Er ist nicht tot, er hat seinen Tod nur inszeniert. Er

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