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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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das junge Mädchen mit großen, erstaunten Augen.
    Joséphine schüttelte erschöpft den Kopf.
    »Das macht dann insgesamt eine, zwei, drei Tote in unserem Viertel«, sagte die Dame mit dem Pudel und zählte dabei an ihren Fingern ab. »Innerhalb von sechs Monaten!«
    »Einen Serienkiller nennt man so was!«, erklärte Iphigénie in belehrendem Ton.
    »Und alle drei auf die gleiche Weise! Zack! Von hinten mit einer schmalen Klinge, so schmal, dass man den Stich angeblich nicht mal spürt. Die schneidet wie durch Butter. Chirurgische Präzision. Zack, rein, fertig!«
    »Woher wissen Sie das, Monsieur Édouard?«, fragte die Dame mit dem Pudel. »Das haben Sie doch bloß erfunden!«
    »Ich erfinde nicht, ich rekonstruiere!«, korrigierte Monsieur Édouard sie beleidigt. »Das hat mir der Kommissar erklärt. Für mich hat sich nämlich der Kommissar persönlich Zeit genommen!«
    Er fuhr sich mit der flachen Hand über die Brust, um seine Bedeutung zu unterstreichen.
    »Kein Wunder, wo Sie doch so wahnsinnig wichtig sind, Monsieur Édouard!«
    »Spotten Sie nur! Ich stelle fest, das ist alles …«
    »Vielleicht haben die sich ja nur deshalb so lange mit Ihnen unterhalten, weil sie Sie verdächtigen!«, vermutete Iphigénie. »Sie lullen Sie ein, indem sie Ihnen schmeicheln, sie quetschen die Wahrheit aus Ihnen raus und, hopp, sitzen Sie hinter Gittern.«
    »Um Himmels willen, nein! Das war doch bloß, weil ich sie gut kannte. Vergessen Sie nicht, wir sind zusammen aufgewachsen! Als Kinder haben wir zusammen im Hof gespielt. Sie war damals schon böse und hinterhältig. Sie behauptete, ich hätte in den Sandhaufen gepinkelt und sie dann gezwungen, mit dem nassen Sand Kuchen zu backen! Wie oft hat mir meine Mutter ihretwegen eine Tracht Prügel verpasst!«
    »Dann hatten Sie also auch genug Gründe, sie zu hassen«, merkte die Pudelbesitzerin an. »Sie mochte Sie nicht, deswegen haben Sie sich ja auch nicht mehr bei den Eigentümerversammlungen blicken lassen.«
    »Da war ich nicht der Einzige«, protestierte der alte Herr. »Alle hatten Angst vor ihr!«
    »Es erforderte Mut, dorthin zu gehen«, pflichtete die Dame mit dem Pudel ihm bei. »Diese Frau wusste alles. Über jeden! Und sie hat mir manchmal Sachen erzählt …«
    Ihre Stimme nahm einen verschwörerischen Klang an.
    »Über gewisse Leute aus dem Haus!«, flüsterte sie und verstummte, um den anderen Gelegenheit zu geben, sie anzuflehen, Näheres darüber zu verraten.
    »Ach, waren Sie etwa mit ihr befreundet?«, fragte das junge Mädchen, neugierig geworden.
    »Sagen wir, sie konnte mich gut leiden. Wissen Sie, niemand kann immer nur allein sein. Ab und zu braucht man mal jemanden zum Reden! Also habe ich hin und wieder abends ein Schlückchen Noilly Prat bei ihr getrunken. Sie trank zwei Gläschen, dann war sie beschwipst. Und dann hat sie unglaubliche Sachen erzählt! Einmal hat sie mir in einer Zeitschrift das Foto eines sehr attraktiven Mannes gezeigt und mir gestanden, dass sie ihm geschrieben hatte!«
    »Einem Mann! Die Bassonnière!«, prustete Iphigénie.
    »Ich glaube ja, sie war in ihn verschossen …«
    »Was Sie nicht sagen! Wenn Sie so weiterreden, wird sie mir tatsächlich noch sympathisch!«, rief der alte Herr.
    »Was halten Sie denn von der Geschichte, Madame Cortès?«, fragte Iphigénie und stand auf, um neuen Kaffee zu machen.
    »Ich höre zu und frage mich, wer sie so sehr gehasst haben mag, dass er sie umgebracht hat …«
    »Das hängt davon ab, wie dick die Akte war, die sie über ihren Mörder angelegt hatte«, antwortete der alte Herr. »Man ist zu allem bereit, um seinen Kopf oder seine Karriere zu retten. Und sie hat ja nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie den Leuten schaden konnte, im Gegenteil, sie hat es regelrecht genossen!«
    »Das stimmt, sie lebte gefährlich, im Grunde ist es ein Wunder, dass sie überhaupt so lange gelebt hat!«, sagte Iphigénie seufzend. »Trotzdem ist das alles ziemlich beunruhigend. Nur Monsieur Pinarelli pfeift fröhlich vor sich hin. Diese Geschichte hat ihm einen wahren Energieschub verpasst! Er schnüffelt herum, verbringt seine ganze Zeit auf dem Revier, um der Polizei Informationen zu entlocken. Neulich hat er sich auch wieder beim Müllraum rumgetrieben. Es gibt aber auch wirklich sonderbare Menschen!«
    Alle Bewohner dieses Hauses sind sonderbar, dachte Joséphine bei sich. Sogar die Frau mit ihrem Pudel! Und was ist mit mir? Bin ich etwa nicht sonderbar? Wenn diese Leute, die hier in aller

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