Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
Vom Netzwerk:
Kühlschrank ist leer …«
    Sie seufzte, streckte ihre langen Beine aus, betrachtete noch ein letztes Mal ihre kleinen, hübschen Füße mit den karminrot lackierten Nägeln und rannte in ihr Zimmer, um ihre Handtasche zu holen. Hin und her gerissen zwischen Zorn und dem Wunsch, ihre Mutter wieder auszuladen, blickte Joséphine ihr nach.
    »Sie wird jede Minute hier sein, also mach dich darauf gefasst, ihr zu öffnen …«, rief Iris.
    »Und Zoé? Wo ist sie?«, fragte Joséphine. Sie war völlig außer sich und suchte nach einem Rettungsring, an dem sie sich festklammern konnte.
    »Sie war kurz da und ist gleich wieder gegangen, ohne etwas zu sagen. Aber zum Abendessen ist sie wieder zurück … Wenn ich sie richtig verstanden habe.«
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Benommen blieb Joséphine allein zurück.
    »Ich verstehe diese Frauen einfach nicht …«, brummte Gary und ließ einen Augenblick das Messer schweben, mit dem er Petersilie, Knoblauch, Basilikum, Salbei und Schinken kleinhackte, um sie anschließend auf den halbierten Tomaten zu verteilen, ehe diese in den Ofen geschoben wurden. Er war ein Meister der provenzalischen Tomaten.
    Er hatte seine Mutter zum Abendessen eingeladen und sie mit sanfter Gewalt gezwungen, sich in den großen Sessel zu setzen, von dem aus er sonst die Eichhörnchen im Park beobachtete. Sie feierten Shirleys Geburtstag: einen feierlichen Vierzigsten. »Ich koche, und du bläst die Kerzen aus!«, hatte er seiner Mutter am Telefon erklärt.
    »Je besser es funktioniert, desto weniger verstehe ich sie …«
    »Sprichst du gerade mit der Frau oder mit der Mutter?«, erkundigte sich Shirley.
    »Mit beiden!«
    »Und was verstehst du nicht?«
    »Frauen sind so … pragmatisch! Ihr habt immer die Details im Blick, ihr werdet von einer unerbittlichen Logik angetrieben, ihr or-ga-ni-siert euer Leben. Warum lerne ich immer nur Mädchen kennen, die ganz genau wissen, wohin sie wollen, was sie machen wollen, wie sie es machen wollen …. Machen, machen, machen, ein anderes Wort kennen sie nicht!«
    »Vielleicht weil wir die ganze Zeit mit nichts anderem beschäftigt sind. Wir kneten Teig, wir waschen, wir bügeln, wir nähen, wir kochen, wir scheuern und wir wehren grapschende Männerhände ab. Wir träumen nicht vor uns hin, wir machen!«
    »Wir machen doch auch …«
    »Das ist nicht das Gleiche! Mit vierzehn bekommen wir unsere Periode, es fragt uns niemand, wir finden uns einfach damit ab. Mit achtzehn erkennen wir sehr schnell, dass wir doppelt so hart kämpfen müssen wie ein Mann, doppelt so viel machen müssen, um zu überleben. Danach bekommen wir Babys, wir tragen sie neun Monate aus, sie bereiten uns Übelkeit, verpassen uns Fußtritte, reißen uns auf, wenn sie zur Welt kommen, lauter praktische Details! Dann müssen sie gewaschen, gefüttert, angezogen, gewogen und ihr Hintern eingecremt werden. Wir ›machen‹ einfach, ohne groß darüber nachzudenken, und den ganzen Rest, den ›machen‹ wir noch nebenbei. Tagsüber die Arbeit und abends Bauchtanz für unseren Herrn und Gebieter! Wir ›machen‹ ununterbrochen etwas, Mädchen, die einfach in den Tag hineinleben, sind dünn gesät! Ihr hingegen, ihr macht doch nur eine einzige Sache: Ihr macht einen auf Mann! Die Funktionsweise ist seit Jahrhunderten in euren Genen einprogrammiert, das macht euch keine Mühe. Aber wir müssen immer nur kämpfen … und irgendwann werden wir dann eben pragmatisch, wie du das nennst.«
    »Ich würde aber gern ein Mädchen kennenlernen, das nichts ›macht‹, das noch nicht seine komplette Karriere durchgeplant hat, das nicht rechnen kann, nicht Auto fahren, das nicht einmal weiß, wie man U-Bahn fährt. Ein Mädchen, das in Büchern lebt, literweise Tee trinkt und seinen alten Kater streichelt, der zusammengerollt auf seinem Bauch liegt.«
    Shirley wusste von der Affäre ihres Sohnes mit Charlotte Bradsburry. Gary hatte ihr nichts erzählt, aber der Londoner Klatsch kannte tausend Einzelheiten. Sie hatten sich auf einer Party bei Malvina Edwards kennengelernt, der Hohepriesterin der Mode. Charlotte hatte gerade eine zweijährige Beziehung mit einem verheirateten Mann hinter sich, der am Telefon mit ihr Schluss gemacht hatte, während seine Frau neben ihm stand und ihm die verhängnisvollen Worte soufflierte. Ganz London hatte darüber geredet. »Satisfaktion!«, schrie Charlotte Bradsburrys lächelnder Mund. Sie bestritt die Anekdote mit gelangweilter Miene und hielt nach jemandem

Weitere Kostenlose Bücher