Der langsame Walzer der Schildkroeten
warten lassen, doch danach hatte sie jedes Mal alle Mühe gehabt, ihn wieder aufzuheitern. Er schmollte; sie spottete, ach, Hervé, was sind denn schon zehn winzige Minuten, verglichen mit der Ewigkeit? Sie beugte sich zu ihm vor, ihr langes Haar strich über seine Wange, und er zuckte verletzt zurück. »Ich bin nicht neurotisch, ich bin korrekt, ich mag es, wenn alles seine Ordnung hat. Ich mag es, wenn meine Frau mir abends, wenn ich nach Hause komme, einen Whisky mit drei Eiswürfeln bringt und meine Kinder mir von ihrem Tag erzählen. Ich verbringe nur diese eine Stunde mit ihnen, und die will ich nutzen. Anschließend essen wir zu Abend, und um neun Uhr liegen sie im Bett. Der Grund, warum es mit der Welt bergab geht, ist, dass keine Ordnung mehr herrscht. Ich will wieder Ordnung in die Welt bringen.« Als sie diese Tirade zum ersten Mal gehört hatte, hatte sie ihn belustigt gemustert, doch sehr schnell hatte sie gemerkt, dass es ihm ernst war.
Er erwartete sie bereits und saß in einem großen, roten Ledersessel im hinteren Teil des Raums. Die Arme vor der Brust verschränkt. Sie setzte sich neben ihn und lächelte ihn zärtlich an.
»Sind die Koffer schon gepackt?«, fragte sie heiter.
»Ja. Es fehlt nur noch meiner, aber den packe ich heute Abend, wenn ich nach Hause komme.«
Er fragte sie, was sie trinken wolle, und sie bat zerstreut um ein Glas Champagner. Wozu ein Koffer, wenn er nicht dort blieb?
»Aber«, setzte sie mit einem etwas verkniffenen Lächeln an, »Sie brauchen doch keinen Koffer, wenn Sie am selben Abend schon wieder zurückkommen!«
»Ich komme nicht am selben Abend schon wieder zurück, ich verbringe zwei Wochen mit meiner Familie …«
»Zwei Wochen!«, rief Iris. »Aber Sie haben doch gesagt …«
»Ich habe überhaupt nichts gesagt, meine Liebe. Sie haben das so interpretiert.«
»Das stimmt nicht! Sie lügen! Sie haben mir gesagt, dass …«
»Ich lüge nicht. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich früher nach Hause komme als meine Frau und die Kinder, aber ich habe nie behauptet, dass ich sie nur dort absetzen würde …«
Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen, versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken, aber ihre Verbitterung war zu groß. Sie trank den Champagner in einem Zug aus und bestellte ein zweites Glas.
»Sie trinken zu viel, Iris …«
»Ich mache, was ich will«, fauchte sie zornig. »Sie haben mich angelogen!«
»Ich habe Sie nicht angelogen, Sie haben sich etwas zusammenfantasiert!«
Zorn blitzte in seinen Augen auf, und er starrte sie wütend an. Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, das eine Dummheit gemacht hat und dafür bestraft werden soll.
»Doch! Sie sind ein Lügner! Ein Lügner!«, schrie sie außer sich.
Der Kellner, der gerade den Nebentisch abräumte, sah verwundert zu ihnen herüber. Ihre Stimme hatte die gedämpfte Stille des Raums durchbrochen.
»Sie hatten mir versprochen …«
»Ich habe Ihnen nichts versprochen. Wenn Sie das so sehen wollen, steht es Ihnen natürlich frei. Aber ich werde mich nicht auf diese lächerliche Diskussion einlassen.«
Seine Stimme klang schneidend. Als hätte er sich bereits auf seine Insel zurückgezogen. Iris griff nach dem Glas, das der Kellner gebracht hatte, und senkte ihr Gesicht darüber.
»Und was wird in der Zeit aus mir?«
Sie richtete die Frage an ihn, doch in Wahrheit stellte sie sie sich selbst. Ich habe so sehnsüchtig auf den August gewartet, ich habe mir Liebesnächte ausgemalt, Küsse, Abendessen unter freiem Himmel. Vorgezogene Flitterwochen vor den richtigen, den offiziellen. Doch daraus schien jetzt wohl nichts zu werden. Sie verstummte und wartete darauf, dass er etwas sagte. Er musterte sie mit leiser Verachtung.
»Sie sind ein Kind, ein kleines, verwöhntes Mädchen …«
Ich bin siebenundvierzigeinhalb und habe Falten am Dekolleté, hätte sie um ein Haar erwidert. Aber sie biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge.
»Sie warten auf mich, nicht wahr?«, sagte er bestimmt.
Ja, seufzte sie und leerte ihr Glas. Hatte sie denn eine andere Wahl?
Marcel war mit Josiane zur Erholung in den Urlaub geflogen. Er hatte in einem Hochglanzkatalog ein schönes Hotel in einem schönen Badeort in Tunesien ausgesucht und lag nun am Strand unter einem Sonnenschirm. Er fürchtete die Sonne, und während Josiane sich bräunte, grübelte er im Schatten vor sich hin. Junior saß, von Kopf bis Fuß mit Sonnencreme mit dem höchsten Schutzfaktor eingeschmiert und mit
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