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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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sie unter einer Brücke schlafen!«
    »Das wäre genau das Falsche. Damit lässt du sie in dein Leben ein, gibst ihr Macht über dich. Ignoriere sie einfach! Dann bist du stärker als sie.«
    »Ich kann nicht. Es nimmt mir den Atem, es macht mich fertig, meine Lunge ist wie zugewachsen …«
    »Sprich mir nach, Bärchen: Ich habe keine Angst vor Henriette, ich empfinde für sie nichts als Verachtung.«
    Verstockt schüttelte Marcel den Kopf.
    »Marcel …«
    »Ich dreh ihr den Geldhahn zu! Ich hol mir die Wohnung zurück, dann kann sie sich von der Sozialhilfe durchfüttern lassen …«
    »Nein, das tust du nicht! Dann wird sie nur wütend und schleicht wieder um uns herum!«
    »Pah, die soll nur kommen!«
    »Hör mir zu, Marcel, und sprich mir nach: Ich habe keine Angst vor Henriette, ich empfinde für sie nichts als Verachtung … Na, mach schon, mein Dickerchen! Tu mir doch den Gefallen. Damit du zu mir in meine Gondel klettern kannst …«
    Marcel weigerte sich beharrlich und grub mit den geballten Fäusten Löcher in den Sand.
    Josiane wiederholte mit sanfter Stimme: »Ich habe keine Angst vor Henriette, ich empfinde für sie nichts als Verachtung.«
    Marcel blieb stumm und starrte so grimmig aufs Meer, als wollte er es teilen.
    »Dickerchen? Hast du Sand in den Ohren?«
    »Vergiss es! Das sag ich nicht …«
    »Ich habe keine Angst vor Henriette, ich empfinde für sie nichts als Verachtung … Na los, raus damit! Du wirst sehen, wie entspannt du danach bist!«
    »Niemals! Niemals! Ich will mich nicht entspannen!«
    »Du wirst noch ganz gallig und sauer …«
    »Und dann vergifte ich sie mit meiner Galle!«
    Da ertönte plötzlich Juniors zartes Stimmchen: »Ab keie Ang fo Hiette, emfi füsi nu Achtung!«
    Mit offenem Mund starrten sie ihren krebsroten Nachwuchs an.
    »Er hat gesprochen! Er hat gesprochen! Er hat einen ganzen Satz gesagt, mit Subjekt, Verb und Objekt!«, rief Josiane.
    »Ab keie Ang fo Hiette, emfi füsi nu Achtung!«, wiederholte Junior, hocherfreut über die Reaktion, die seine Worte auf den begeisterten, endlich wieder strahlenden Gesichtern seiner Eltern auslösten.
    »Oh! Meine Süßen! Meine beiden Wonneproppen!«, rief Marcel, warf sich auf seine Frau und seinen Sohn und erdrückte sie fast mit seinem Gewicht. »Was würde ich nur ohne euch machen?«
    Anfang August. Es war heiß, die Läden waren geschlossen. Man musste eine Viertelstunde laufen, um ein Brot zu kaufen, zwanzig Minuten, um eine geöffnete Metzgerei zu finden, eine halbe Stunde, um die Obst- und Gemüseabteilung bei Monoprix zu erreichen. Und dann schleppte man seine Einkäufe durch die Gluthitze zurück, immer im hingetupften Schatten der Bäume, die reglos in der schwülen Hitze aufragten. Joséphine blieb in ihrem Zimmer und arbeitete. Hortense war in Kroatien, Zoé in Irland, und Iris lag auf dem Sofa vor einem Ventilator und griff abwechselnd nach der Fernbedienung und ihrem Handy, in das sie Nummern eintippte, unter denen niemand ranging. Paris war verlassen. Nur der Lurch war noch da, rief sie unverdrossen jeden Abend an und lud sie zum Essen ein. Iris schob eine Migräne vor und antwortete mit sinnlicher Stimme: »Vielleicht morgen … Wenn es mir besser geht.« Er protestierte, sie wiederholte: »Ich bin müde«, und fügte ein derart sanft gehauchtes »Raoul« hinzu, dass der Lurch die Segel strich. »Dann bis morgen, meine Schöne!«, krächzte er und legte auf, glücklich darüber, seinen Vornamen aus dem Mund von Iris Dupin gehört zu haben. Es geht voran, es geht voran, dachte er und zupfte sich den klebenden Hosenboden vom Hintern. Die Schöne ist raffiniert, sie lässt sich bitten, das ist normal, sie spielt in der ersten Liga, sie wehrt sich, leistet Widerstand, sie ergibt sich nicht einfach so, ich bin schließlich nicht gerade Mister Frankreich, und sie tut so, als beeindruckte sie mein Geld nicht, aber sie denkt nach, sie rechnet, die Leine wird mit jedem Tag kürzer, sie kommt näher. Sie lässt sich Zeit, aber das macht den Sieg nur umso schöner. Irgendwann landet sie schon noch in meinem Bett, und dann jag ich sie notfalls mit Fußtritten ins Rathaus!
    Iris hegte nicht den geringsten Wunsch, den Abend im Ritz zu wiederholen: Sie hatte ihm beim Essen zugesehen und sich bemüht, seine geräuschvoll malmenden Kiefer zu ignorieren, die Finger, die er am Tischtuch sauber wischte, und den klebenden Hosenboden, den er diskret löste, indem er seinen Hintern ein Stückchen vom Stuhl hob. Er redete mit vollem

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