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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Wörtern ab, von der peinlichen Sorgfalt, mit der sie üblicherweise ihre Gedanken ausdrückte. Stattdessen stimmte sie in die gängige Litanei ein, es gibt keine richtigen Jahreszeiten mehr, es gibt keine Kinder mehr, es gibt keine Männer mehr, es gibt keine Frauen mehr, es gibt keine Sardellen mehr, es gibt keine schönen Hummer mehr unter den Felsen … Die Hundstage stumpften die beiden Schwestern ab, machten sie benommen und zwangen sie in den kühlsten Raum der Wohnung, wo sie sich einen Ventilator und eine Flasche Gesichtswasser teilten. Sie besprühten sich damit und wandten ihre fiebrigen Gesichter den surrenden Flügeln zu.
    »Luca hat zweimal angerufen!«, sagte Iris, während ihr Kopf der Drehbewegung des Ventilators folgte. »Er will unbedingt mit dir reden. Ich habe gesagt, du würdest ihn zurückrufen …«
    »Scheibenkleister! Ich habe ganz vergessen, ihm seinen Schlüssel zurückzuschicken! Das mache ich jetzt gleich.«
    Behäbig stand sie auf, holte einen frankierten Umschlag, schrieb Lucas Adresse darauf und schob den kleinen Schlüssel hinein.
    »Schreibst du nichts dazu? Zum Abschied ist das ein bisschen sehr kurz angebunden, findest du nicht?«
    »Wo habe ich nur meinen Kopf?«, seufzte Joséphine. »Jetzt muss ich ja noch mal aufstehen!«
    »Nur zu!«, entgegnete Iris lächelnd.
    Joséphine holte ein Blatt Papier und überlegte, was sie schreiben sollte.
    »Schreib ihm, dass du in Urlaub fährst … mit mir, nach Deauville. Dann lässt er dich in Ruhe.«
    Und Joséphine schrieb: »Lieber Luca, hier ist Ihr Schlüssel. Ich fahre nach Deauville zu meiner Schwester. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen restlichen Sommer. Joséphine.«
    »So«, sagte sie, als sie den Umschlag zuklebte. »Den bin ich los!«
    »Selber schuld! Deinen Töchtern zufolge ist er ein sehr attraktiver Mann …«
    »Mag sein, aber ich habe keine Lust mehr, mich mit ihm zu treffen …« Sie errötete. Seit ich Philippe liebe, hatte sie den Satz im Stillen beendet. Denn ich liebe ihn immer noch, auch wenn er nichts mehr von sich hören lässt. Das weiß ich ganz tief in mir drin. Sie steckte den Umschlag in ihre Handtasche und sagte Luca Lebewohl.
    »Tut das gut …«, seufzte Iris und legte ihre Beine auf den Nachbarstuhl.
    »Mmhmmm …«, schnurrte Joséphine und verrutschte ein paar Millimeter auf ihrem Sitz, um eine etwas kühlere Fläche zu finden.
    »Soll ich dir dein Horoskop vorlesen?«
    »Mmmjaa …«
    »Na gut … ›Allgemeines Klima: Ab dem 15. August erwarten Sie schwere Turbulenzen …‹«
    »Das ist ja heute«, bemerkte Joséphine und legte den Kopf in den Nacken, um ihre feuchte, warme Haut dem kühlenden Luftstrom des Ventilators auszusetzen.
    »›… die bis zum Ende des Monats andauern. Halten Sie sich gut fest, es wird ein heftiger Sturm, den Sie nicht unbeschadet überstehen. Liebe: Eine alte Flamme lodert wieder auf und bringt Sie zum Glühen. Gesundheit: Vorsicht bei Herzrasen.‹«
    »Scheint ja eine aufregende Zeit zu werden«, brummte Joséphine. Schon der Gedanke daran, von einer Sturmbö mitgerissen zu werden, erschöpfte sie. »Und was ist mit dir?«
    Iris fischte einen Eiswürfel aus dem Krug mit Eistee, den Joséphine zubereitet hatte, fuhr sich damit über die heißen Schläfen und Wangen und las weiter: »Mal sehen … ›Allgemeines Klima: Sie treffen auf ein bedeutendes Hindernis. Nutzen Sie Charme und Diplomatie. Wenn Sie mit Gewalt dagegen angehen, werden Sie scheitern. Liebe: Es kommt zu einer Begegnung, und es liegt in Ihrer Hand, ob Sie dabei gewinnen oder verlieren. Alles steht auf Messers Schneide …‹ Brr … Das klingt nicht gerade ermutigend!«
    »Und deine Gesundheit?«
    »Gesundheit lese ich nie!«, antwortete Iris, klappte die Zeitung zu und faltete sie zu einem Fächer, um sich damit frische Luft zuzuwedeln. »Ich wünschte, ich wäre ein Pinguin und könnte eine Eisbahn runterrutschen …«
    »Wenn wir jetzt in Deauville wären, könnten wir im Wasser planschen …«
    »Ach, sprich nicht davon! Vorhin haben sie im Radio gemeldet, dass es dort letzte Nacht ein fürchterliches Unwetter gegeben haben soll …«
    Matt streckte sie eine Hand nach dem Radio aus und stellte den Ton lauter, um weitere Wetterberichte zu hören, doch dann seufzte sie: Es lief gerade Werbung. Sie drehte wieder leiser.
    »Wenigstens hätten wir da ein bisschen frische Luft … Ich halte das hier nicht mehr aus.«
    »Fahr doch hin, wenn du willst, ich gebe dir die Schlüssel. Aber ich rühre mich

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