Der Lavagaenger
beschwerte sich beim Kommandanten; jedoch ohne Ergebnis.
Der australische Kommandant und seine Mannschaft beschränkten sich darauf, das Lager zu bewachen und die Küche mit Lebensmitteln zu versorgen. Ansonsten überließ man diese kleine stacheldrahtumzäunte Welt ebenso sich selbst wie der kosmische Kommandant die große.
Als ein geschäftstüchtiger Leipziger Bäckermeister einen kleinen Laden eröffnete, in dem man Schokolade, Schnaps und Zigaretten kaufen konnte, war für die, die nicht konnten, klar, es konnte so nicht weitergehen.
Also wurde hinter den löchrigen Wolldecken von Baracke 9 eine neue Lagerordnung entworfen und beschlossen, sie sowohl den Insassen als auch dem Kommandanten schmackhaft zu machen.
John Archibald Hover, Major und gemächlicher Mittfünfziger, schien sich in den Militärberuf verirrt zu haben. Sein zuvorkommendes Wesen neigte wohl eher dem Gewerbe eines Gastwirts zu. Eine gewisse Korpulenz, die nicht fett, sondern kraftvoll wirkte, verschaffte ihm dennoch eine Art natürliche Autorität, die keiner Uniform bedurft hätte. Im Gegenteil, es war sein Wesen, das wettmachte, was seine Dienstkleidung verdarb. Seine Uniformjacke wellte sich in Wülsten, und es schien, als hättennicht nur ihre Knöpfe, sondern auch das lederne Koppelzeug Mühe, dem Druck seines Leibes standzuhalten.
Er spazierte jeden Morgen durch das Lager, sagte, wenn sein Korporal ihm Meldung machte: Danke, mein Freund! und ließ von ihm Wünsche und Beschwerden der Internierten notieren, wobei es dann allerdings blieb. Anschließend stieg der Major in seinen Kübelwagen, dass dessen Federn ächzten, und machte sich auf, Mrs. Hayfield einen Besuch abzustatten.
Die Witwe Hayfield bewirtschaftete am Rande der Wüste eine kleine Farm. Ein Windrad förderte aus den Tiefen des Gesteins genug Wasser, um mit einigen Feldern und etwas Vieh ein Auskommen zu haben. Mrs. Hayfield liebte beleibte Männer, denn da, so pflegte sie zu sagen, sieht man doch, wo all die Mühe bleibt. Sie selbst war eher von der mageren Sorte und hatte die Dreißig weit hinter sich gelassen. Die harte Landarbeit hatte sie mit einer Herbheit überzogen, die jedoch wie die Wüste nur auf einen Regenschauer zu warten schien, um zu erblühen. Seit jenem unglückseligen Gewittertag im Jahre 36, da sie von ihrem Mann, dem sie eben das Mittagessen hatte bringen wollen, nur noch ein vom Blitz zurückgelassenes und, wie sie sagte, verkohltes Häufchen gefunden hätte, war Mrs. Hayfield allein mit ihren Söhnen gewesen.
Die jungen Männer wurden inzwischen vom Krieg irgendwo in Europa gebraucht, und so war sie froh über die Besuche des Majors. Der half ihr, so gut er es eben verstand, und besonders verstand der Major zu improvisieren. Die Reparatur des Scheunendachs hatte zur Folge, dass eine Scheibe des Küchenfensters ersetzt werden musste, weil sich der Hammer von seinem von Hover provisorisch angefertigten Stiel gelöst hatte und in einem eleganten Bogen durch das Glas gesaust war. Eine defekte Dichtung der dieselbetriebenen Pumpe, die das Wasser aus den Tiefen der australischen Erde förderte, hatte Hover kurzerhand durchein Kondom ersetzt, ein Hilfsmittel, das er als moderner Mensch stets bei sich trug, dessen Zweckentfremdung er Mrs. Hayfield aber aus Taktgefühl verschwieg.
All das nahm Mrs. Hayfield in Kauf: Hauptsache, in der Einöde nicht ganz verlassen. Und das leidige Priemen würde sie ihm noch abgewöhnen, immerhin ging er dazu schon vor die Tür.
Zu den Lieblingsaufgaben des Majors gehörte der Schutz von Mrs. Hayfields kargen Weizenschlägen. Denn sobald das Korn reifte, fiel regelmäßig ein Schwarm Kakadus darin ein. Dieser Mission wegen blieb es nicht aus, dass der Kommandant mit einem anderen erfahrenen Vogelvertreiber, der, wie wir uns erinnern, Hans Kaspar auf Niederlausitzer Feldern gewesen war, in ein kollegiales, ja mitunter freundschaftlich erscheinendes Verhältnis geriet.
Hans Kaspars Aufgabe war es, die von Hover erlegten Vögel einzusammeln. Da Hover nicht zu den besten Schützen gehörte und sein Jagdeifer weniger zu gezielten Abschüssen als zu einem wilden Herumgeballer führte, war die Beute schmal. Dennoch waren die zwei oder drei, höchstens fünf erlegten Kakadus für Hans Kaspar nicht die Kombattanten einer feindlichen Armee, sondern immer noch die nur zufällig versammelten Vertreter einer exotischen Vogelart, die man in Europa lediglich in zoologischen Gärten oder den Volieren reicher Leute bewundern konnte. Als
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