Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
Vom Netzwerk:
einer des Majors Attacken verwundet überlebte, pflegte ihn Hans Kaspar gesund. Auf seiner Schulter sitzend beschimpfte er eines Tages den Major mit
Iiiiitler
und anderen Flüchen, die man ihm in Baracke 9 beigebracht hatte.
    Hans Kaspars Vorschlag, die gefiederte Schar nicht länger mit kostbarem Blei zu erschrecken, sondern sie endgültig zu vertreiben, fand das offene Ohr der Farmerin und ihres Gefährten. Da Schüsse die Vögel kaum, geschweige dauerhaft irritierten, erwog Hans Kaspar gar nicht erst, das geflügelte Getier mit flatternden Textilien zu verscheuchen.Vielmehr ersann er eine Technik, die den gesamten Schwarm mittels eines großen Netzes und einiger Signalraketen in die Falle gehen ließ.
    Die Vogelstellerei gelang, und die Übeltäter wurden, auf einen Lastwagen verfrachtet und von zwei Soldaten eskortiert, drei Tage weit von Mrs. Hayfields Farm in die Freiheit entlassen.
    So nahm es nicht wunder, als an jenem Abend hinter Decken die Lagerweltverbesserer tagten, dass die Wahl auf Hans Kaspar fiel, dem Kommandanten die neue ausgeklügelte Lagerordnung ans Herz zu legen. Mo wiederum, inzwischen zum Kandidaten der Kommunarden avanciert, übernahm es, Hans Kaspar seine Aufgabe nahezubringen. Er appellierte an dessen Berufsehre. Schließlich sei die Deutsche Reichsbahn zumindest in ihrer Frühzeit allgemeiner Wohlfahrt verpflichtet gewesen, hätte jeder ehrliche Eisenbahner sich in den Dienst von etwas Größerem gestellt, etwas, das, aus Stahl und Dienstplänen konstruiert, jedem Kommunisten Vorbild sein konnte. Und er, Hans Kaspar, sei eben deshalb Mos Vorbild.
    Am anderen Vormittag wurde Hans Kaspar mit dem von einem Kundigen ins Englische übersetzten Papier in der Hand, der Gründungsakte Neu-Utopias, beim Kommandanten vorstellig.
    Allgemeine Arbeitspflicht?
    Gutscheine als Lohn?
    Beschlagnahme aller eingehenden Gelder für allgemeine Aufgaben und Lebensmittelbeschaffung?
    Ist das so üblich bei Ihnen in Deutschland?
    Hans Kaspar schwieg betreten.
    Der Major zog eine Dose Kautabak aus der Tasche, entnahm ihr eine zusammengerollte, lakritzartige Tabakschlange und teilte sie mit einem Taschenmesser sorgfältig in mehrere Stücke, bevor er sich eines davon in den Mund schob.
    Na, sei’s drum. Und Hauptsache, bei euch da drinnen herrscht Ruhe.
    Gerade wollte der Kommandant seine Unterschrift unter das diffizile Konstrukt setzen, da tobte ein Schwarm Kakadus kreischend über das Dach der Terrasse.
    Sie sind zurück, dachte Hans Kaspar erschreckt.
    Und Mr. Hover dachte wohl das Gleiche.
    Einen Moment lang kreisten die Vögel unentschlossen über dem Vorplatz der Kommandantur, dann stoben sie nach Norden davon, in Richtung von Mrs. Hayfields Farm.
    So eine Blamage, dachte Hans Kaspar. Und Mr. Hover dachte wohl das Gleiche. Er spie seinen Priem in hohem Bogen in den Sand und stöhnte. Stöhnend öffnete er die oberen Knöpfe seiner Uniformjacke und massierte sich die linke Brust hinauf bis zur Schulter. Für einen Moment schloss er die Augen, und Hans Kaspar sah den Kommandanten bereits tot umfallen. Doch dann öffnete Mr. Hover die Augen, knöpfte entschlossen die Jacke zu und nahm die fein säuberlich aufgeschriebene Lagerordnung wieder zur Hand. Dann – ritsch ratsch – riss er sie entzwei. Ein Windstoß vermischte die Schnipsel mit dem roten australischen Sand und trug das Regelwerk des Glücks wirbelnd in die Einöde hinaus.
     
    Das Zerwürfnis zwischen Hans Kaspar und dem Kommandanten dauerte aber nicht lange. Denn eigentlich war Hover froh, Mrs. Hayfield, während der Weizen reifte, zwei oder drei, ja manchmal sogar fünf erlegte Kakadus auf die Treppe legen zu können, so wie ein Kater tote Mäuse seinem Frauchen.
    Manchen Abend verbrachte Hans Kaspar zusammen mit Hover am Tisch von Mrs. Hayfield. Hover im verschwitzten Trägerhemd mit baumelnden Hosenträgern, Mrs. Hayfield meist in einem blass geblümten, hell beschürzten Kleid und Hans Kaspar im kragenlosen Hemd, kahlgeschorenund sonnenverbrannt, die Augen wie kleine dunkle Teiche in der Wüste. Man hätte das Trio gut für Bauer, Bäuerin und Knecht halten können, wäre da nicht Hans Kaspars Drillichhose gewesen, rot gefärbt, wie die Gefangenen sie trugen. Wenn Mrs. Hayfield Malzkaffee ausschenkte, dann spürte Hans Kaspar, obwohl sie ihn nicht berührte, ihren warmen pulsierenden Leib an seinem Oberarm. Er begann zu beobachten, wie weit sich Mrs. Hayfield dem Kommandanten näherte, wenn sie ihm Kaffee eingoss. Sehr weit. Wenn nicht weit

Weitere Kostenlose Bücher