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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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aufgerissene Erde lief. Er würde sich als Erstes am Brunnen gütlich tun, würde den Eimer heraufziehen und sich das kalte Nass über den glühenden Schädel gießen und in den offenen Mund. Und dann würde er sich in der Kühle des Hauses ausruhen. Nein, nicht ausruhen, er musste den Major holen, unbedingt.
    Jetzt noch zwei, drei Schritte, und da war sie, die Farm.
    Die Farm? Wo, verdammt, war jetzt bloß die Farm? Er hatte doch noch vor einer halben Stunde deutlich Mrs. Hayfields Haus gesehen. Oder nicht? Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Was hatte er denn gesehen, wenn nicht das Haus? Etwa diesen großen, glattkantigen Felsblock?Hatte er den aus der Ferne tatsächlich für ein Haus gehalten?
    Matt trottete Hans Kaspar dem Felsen entgegen, taumelte die letzten Meter und sank erschöpft an dem von Wind und Sand geschliffenen Gestein zu Boden. Nirgends Schatten. Über ihm nur blau flammendes Kristall. Im Zenit begann die Sonne zu kreisen.
    Der Himmel pulsierte, dehnte sich, sank noch drückender herab und wölbte sich erneut. Ein lichtgehärteter Spiegel der Menschenlosigkeit. In diesem Spiegel kreiste die Welt, kreiste und schwang hin und her, her und hin, war eine Luftschaukel. Auf zum Himmel und zur Erde herab und wieder auf … Schwester Carla lachte ihr blondes Lachen, und die langen Haare flogen ihr ins Gesicht und wieder über die Schultern nach hinten. Ihr Körper bog sich und gab der Schaukel Schwung. Er saß darin und flog durch ihren Duft, ja sie selbst war wie ein Wind, der ihn lachend umwehte, der ihn trug, so sicher wie nichts. Warum wussten das seine Hände nicht, die angstvoll die eisernen Stangen der Schaukel umklammerten, warum wusste es sein Magen nicht, der flau rebellierte, und warum nicht sein Kopf, den ein Schwindel wattig umfing und betäubte, obwohl er doch so gerne noch viel mehr gespürt, gefühlt, gelebt hätte. Doch er fiel in eine endlose Tiefe. Vater. Vater! Dann war es still.
    Rhythmischer Wechsel ineinandergleitender Bilder. Waren es Träume. Oder der Tod: blätterdurchschattetes Licht. Unter dunklen Bäumen ein Pfad, sich weitend zu einem Weg. Der führt ihn weiter auf einen Hügel.
    Dort sieht er sich selbst und sieht doch zugleich in eine seltsame Landschaft. Felsig zerklüftet ist diese Landschaft, nicht sanft. Auch nicht wild. Es fehlt ihr das Bedrohliche. Fremdes ist vertraut. Das Eigene geheimnisvoll. Blickt man so in das eigene Herz? Das Innerste, mehr als die Redensart meint, nach außen gekehrt?
    Das Licht wogt mild. Zu seinen Füßen ein türkisfarbenes Meer. Der Himmel ist das Meer zugleich. Fisch sein und Vogel. Fliegen und schwimmen. Auftauchen jetzt. Aus tiefster, tunnelgleicher Tiefe. Zu einem Strahlen hin, auch zu großer Klarheit:
    Wo er herkommt, das begreift er in diesem Strahlen, war eigentlich Dunkel.
     
    Die Helle vor Hans Kaspars Augen sammelt sich zu einer Gestalt, weiß wie das Licht. Nein, nicht wie das Licht, wie ein Schatten, ein weißer Schatten. Die Gestalt beugt sich herab.
    Ahmad?
    Feuchtigkeit benetzt seine Lippen. Eine Wasser spendende Hand, die ihn schließlich emporzieht und stützt. Er sieht ein helles Gesicht, doch unter der trockenen, rissigen weißen Farbe die dunkle Haut, sieht die wulstigen Lippen, das drahtige dicke Haar und riecht einen starken, fremden Geruch. Schritt für Schritt spürt er eine Kraft, die langsam, langsam in ihn übergeht und eigentlich Vertrauen ist, Vertrauen, dass das, was geschieht, richtig ist.
    Er könnte auch nicht anders. Manchmal ist es die Unfähigkeit, etwas zu wollen, die uns rettet, die Hingabe, bedingungslos. Es gibt auch keine Bedingung, die er stellen könnte.
    Irgendwann rasteten sie. Der Fremde begann zu graben, zog schließlich eine Wurzel aus der Erde, brach sie und presste die darin gespeicherte Feuchtigkeit über Hans Kaspars Mund aus. Wie aus einem vollgesogenen Schwamm rann die Flüssigkeit auf seine Zunge.
    Hans Kaspar hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren, wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, und erschrak, als beinahe übergangslos die Nacht hereinbrach. Nach einiger Zeit blieb der Fremde stehen und wies in eine bestimmte Richtung. Diffuse Schatten, mehr konnte HansKaspar nicht erkennen. Eine Geste des Fremden hieß ihn, allein weiterzugehen. Wollte ihn sein Retter verlassen, schickte er ihn allein in die Dunkelheit? Doch nach wenigen Schritten erkannte Hans Kaspar die Schemen eines Gebäudes. Und diesmal war es kein Fels, diesmal war es tatsächlich die Hayfieldfarm,

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