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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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schaukeln. Jede einzelne Blüte sank auf die Brust eines Matrosen. Es waren unzählige Blüten. Doch zahlloser waren die Toten: Briten, Australier, Amerikaner, Malaien, Polynesier und Japaner.
    Der Krieg, sagte Hans Kaspar, als sie wieder in der Messe angelangt waren,
ist
zu Ende.
    Nach heftigem Widerspruch Jakumotos und Erklärungen Hans Kaspars schwieg der Kapitän, schüttelte aber immer wieder ungläubig den Kopf. Schließlich schnellte er auf und wandte sich zum Gehen. Er besann sich, wünschte mit belegter Stimme seinem Gast eine gute Nacht und verließ nach einer Verbeugung die Messe.
    Tief in der Nacht hörte Hans Kaspar die Brecher auf dem Deck niedergehen. Das Schiff ächzte und krachte. Einmal klang etwas wie ein heiserer Schrei aus der Kajüte des Kapitäns herüber, gefolgt von einem Klirren, Glas zersprang auf Metall.
    Als er am anderen Morgen in die Messe kam, erwartete ihn Jakumoto bereits mit dem Frühstück. Er hatte seine Uniform abgelegt und trug einen Kimono. Er wirkte gelöst, ja heiter.
    Während des Essens, auf seine Frage nach dem nächsten Hafen, lächelte Jakumoto nur nachsichtig. Später reichte er Hans Kaspar einen Farbeimer und einen Pinsel.
    Eine Woche lang arbeiteten sie zu zweit an ihrem stählernen
Buch der Wandlungen
. Abends redeten sie, worüber zu reden war: die Verse für den nächsten Tag.
    Einmal bat Hans Kaspar darum, den Rumi-Vers von seinen Schuhen auf die Bordwand übertragen zu dürfen. Jakumoto, als er sich den Text übersetzen ließ, wiegte zweifelnd den Kopf. Da begann Hans Kaspar von Konya, von Ahmad, Estragon und Siyakuu zu reden. Dabei setzte er immer wieder einen Schlusspunkt, indem er die Hände hob und sagte: Sicher langweile ich Sie, Kapitän. Doch eigentlich wollte ich damit nur sagen …
    Schon war Hans Kaspar wieder mittendrin im Erzählen.
    Jakumoto nickte, lächelte, nickte. Zum Schluss wiederholte er: … wer die Perle finden will, muss bis
zum Grund des Meeres
tauchen. Er wiegte wieder den Kopf und blickte gequält.
    Lange saßen sie schweigend über ihren Entwürfen, mal ging der eine, mal der andere auf und ab. Draußen wogte das Meer, dunkel und schwer.
    Es war vor mehr als einem Jahr, begann Jakumoto unvermittelt zu reden, da suchte die Admiralität Marineflieger. Man nannte die jungen Männer, die mit ihren Maschinenaufsteigen und feindliche Schiffe angreifen sollten, Kamikaze: Göttlicher Wind. Wie ein Taifun einst die Flotte des Mongolenfürsten Kublai Khan zerstörte, sollte dieser Götterwind die amerikanischen Schiffe treffen. Nicht allein mit Bomben oder Bordgeschützen. Nein, die Piloten stürzten sich samt ihren Maschinen auf die Amerikaner. Es hieß: ein Mann – ein Schiff.
    Einer dieser Piloten war mein Sohn. – Ich hatte genug Ansehen. Ich hätte verhindern können, dass er
auf dem Grund des Meeres
nach der schwarzen Perle des Todes taucht.
    Jakumoto schwieg. Was ist das, fragte er dann, dass Worte vermögen, uns erst zu erheben, um uns dann um so gründlicher in die Tiefe zu stoßen.
    Vielleicht, antwortete Hans Kaspar, liegt es an dem Mund, der die Worte spricht. – Selbst Gott, hat Ahmad einmal gesagt, ist kein guter Redner. Er wird häufig missverstanden.
     
    Nachts hörte Hans Kaspar, wie das Meer mit dem Schiff spielte, es auf und ab wiegte, hin und her schob, tanzen ließ und ahnen, lang genug habe es diesen Kasten getragen.
    Am siebten Tag, lange nach Mittag, am Nordostrand eines wolkenlosen Blaus eine große weiße Wolke.
    Da, Jakumoto streckte den Arm aus, eine Insel.
    Am nächsten Morgen war noch immer kein Land zu sehen, nicht einmal eine Wolke.
    Jakumoto, was ist los! Wo ist die Insel? Sie haben doch gesagt …
    Jakumoto hob die Schultern: Ja, Land, habe ich gesagt. Doch ich habe nicht gesagt, dass wir das Schiff plötzlich wieder steuern könnten.
    Gegen Mittag hob sich aus dem Dunst des Horizonts doch noch der dunkle Schemen einer Insel.
    Endlich.
    Zur Freude Hans Kaspars zog Jakumoto eine Plane von einem kleinen Rettungsboot. Gemeinsam ließen sie es zu Wasser.
    Hans Kaspar, als Erster im Boot und in der Meinung, Jakumoto werde wie er die Gelegenheit nutzen, das Wrack zu verlassen, reichte ihm helfend die Hand. Doch der zog die seine weg und hob sie, halb Abwehr, halb Gruß.
    Zu viele, sagte Jakumoto und machte eine Geste zur See hin, zu viele dort draußen tragen noch keine Blüte.
    Dann gab er dem Boot einen Stoß.
    Hans Kaspar ruderte und sah, während er sich von dem Kreuzer entfernte, bald Jakumoto außenbords auf

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