Der Lavendelgarten
d’Azur ratterte, wurde Connie klar, dass sie nun auf sich allein gestellt war.
»Wie geht’s Ihnen heute?«, erkundigte sich Venetia, als sie Édouard Kaffee ans Bett brachte. »Die Milch ist leider aus. Ich habe alle Dosen aus dem Schrank oben aufgebraucht.«
»Besser, danke, Venetia«, antwortete Édouard.
In den vergangenen beiden Tagen hatte Édouard wenig mehr getan als zu schlafen und zu essen, was immer Venetia ihm brachte. Nun konnte er wieder klar denken und hatte das Gefühl, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand.
»Prima«, sagte Venetia. »Ich glaube, es ist Zeit für ein Bad. Danach fühlt man sich wieder wie ein Mensch. Außerdem freut es diejenigen, mit denen man auf engstem Raum zusammenlebt.« Sie rümpfte die Nase.
»Halten Sie es für sicher, wenn ich nach oben gehe?«, fragte Édouard.
»Ja. Das Bad befindet sich an der Rückseite des Gebäudes und hat Fensterläden. Ich habe jeden Abend bei Kerzenschein in der Wanne gelegen. Himmlisch!« Venetia streckte sich lächelnd. »Trinken Sie Ihren Kaffee, dann lasse ich Ihnen Wasser ein.«
Eine Stunde später fühlte sich Édouard nach einem langen Bad tatsächlich erfrischt. Venetia hatte ihm Kleidung aus seinem Zimmer gebracht und seine Wunde frisch verbunden.
»Meine Güte, Édouard, sind Sie groß!«, rief Venetia erstaunt aus, als er die Treppe herunterkam. »Schätze, ich muss das Haus verlassen, denn in der Küche gibt’s nur noch Katzenfutter. Und das mag nicht mal ich.«
»Lassen Sie mich gehen«, bat er.
»Unsinn, Édouard. Ich bin es gewöhnt, mich unauffällig zu bewegen, während Sie, Monsieur le Comte, schon wegen Ihrer Größe hervorstechen. Überlassen Sie das mir. Bin bald wieder da.«
Bevor Édouard sie aufhalten konnte, war Venetia zur Kellertür hinaus und kehrte zwanzig Minuten später mit zwei frischen Baguettes zurück. Zum ersten Mal aß er mit gesundem Appetit.
»Ich habe mit meinem Netzwerk Verbindung aufgenommen. Meine Leute überlegen sich einen Plan, wie sie Sie so schnell wie möglich aus Frankreich herausbekommen«, erklärte Venetia. »Hätten Sie Lust auf London? Dort würde man sich über Ihre Gesellschaft und Ihren Bericht freuen. Vorausgesetzt natürlich, wir schaffen es, Sie heil rüberzubringen. Dumm, dass Sie so groß sind. Das macht es sehr schwierig, Sie zu verbergen.«
»Was ist mit meiner Schwester Sophia? Und mit Ihrer Freundin Constance?« Édouard schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann nicht einfach fliehen und sie im Stich lassen!«
»Für Ihre Schwester wäre es das Beste, wenn Sie genau das tun«, stellte Venetia fest. »Wie bereits erwähnt, stehen Sie im Moment ganz oben auf der deutschen Fahndungsliste. Außerdem hoffen wir alle, dass Ihr Aufenthalt im Ausland kurz ausfällt. Wir warten tagtäglich auf die Invasion der Alliierten.«
»Im Nachhinein betrachtet hätte ich Sophia doch lieber bei mir in Paris behalten sollen«, seufzte Édouard.
»Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen«, erklärte Venetia. »Es ist mir gelungen, unsere Freunde im Süden zu informieren, dass Ihre Schwester bald eintreffen wird. Sie halten nach ihr Ausschau und helfen ihr, so gut sie können.«
»Danke, Venetia. Ich habe sie nur weggeschickt, weil ich dachte, dass ich ihnen bald folgen könnte.«
»Tja, das geht aber nicht«, entgegnete Venetia. »Draußen habe ich Ihr Gesicht auf einem Handzettel gesehen. In Paris sind Sie bekannt wie ein bunter Hund, Édouard. Sie müssen das Land so schnell wie möglich verlassen.«
»Sie riskieren viel, indem Sie mir beistehen.«
»Auch nicht mehr als sonst.« Venetia hob grinsend die Augenbrauen. »Aber wir müssen von hier weg, bevor uns das Glück verlässt. Wir brechen morgen auf.«
»Ich muss wohl kaum erwähnen, dass ich Ihnen sehr dankbar bin.«
»Angesichts der zahllosen Leben, die Sie in den vergangenen vier Jahren gerettet haben, ›Hero‹, ist es mir eine Ehre, Ihnen zu helfen«, entgegnete Venetia.
Am Bahnhof von Toulon half Connie der erschöpften Sophia aus dem Zug in den strömenden Regen und ging zum Fahrkartenschalter.
»Entschuldigen Sie, Monsieur, können Sie mir sagen, wann der nächste Zug nach Gassin fährt?«
»Morgen früh um zehn.«
»Aha. Können Sie mir ein Hotel empfehlen?«
»Biegen Sie links ab, dann sehen Sie schon eines an der Ecke«, antwortete der Mann unfreundlich und schloss den Schalter.
Connie führte Sophia zu dem Hotel. Als sie es erreichten, waren sie beide bis auf die Knochen nass.
Das Hotel war
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