Der Lavendelgarten
Begabungen, Alex, waren Dein Verderben. Verzeih, ich schweife ab.
Du kannst Dir denken, dass ich um Deine Heimkehr vor meinem Tod bete, denn ich muss eine Entscheidung über mein geliebtes Blackmoor Hall treffen. Wie Dir bekannt ist, befindet es sich seit über hundertfünfzig Jahren im Besitz der Familie Deines Großvaters. Da ich weder eine Ahnung habe, wo Du Dich aufhältst, noch, wie viel es kosten wird, das Haus zu renovieren, weiß ich nicht, was ich damit tun soll. Ich habe beschlossen, es Euch beiden gemeinsam zu vermachen, in der Hoffnung, dass Euch das näherbringt. Vielleicht wird dieser sentimentale Wunsch einer alten Frau die gegenteilige Wirkung haben. Ich kann nur hoffen, dass Blackmoor Hall sich für Euch nicht als Last erweist. Falls ja, habt Ihr meinen Segen, es zu verkaufen.
Dir hinterlasse ich außerdem ein Buch – ich weiß, wie sehr Du alte Bücher liebst –, das für mich eher emotionalen als finanziellen Wert besitzt. Ein Freund hat es mir vor vielen Jahren während des Kriegs in Frankreich geschenkt. In diesem Umschlag befindet sich auch ein Notizheft mit Gedichten seiner Schwester Sophia, die ich sehr mochte. Der Name des Eigentümers vorne in dem Buch kann Dir, wenn Du möchtest, helfen, mehr über das herauszufinden, was Deine Großmutter während des Kriegs in Frankreich erlebt hat. Ich habe zu meinen Lebzeiten nichts darüber erzählt, finde aber, dass es eine interessante Geschichte ist. Vielleicht bekommst Du mit ihrer Hilfe eine bessere Meinung von der Frau, die sich nach Kräften um Dich bemüht, dabei aber leider fatale Fehler begangen hat. Das Buch und die Gedichte sind, wo sie immer waren – oben im dritten Fach von links in der Bibliothek. Nimm sie heraus, wenn Du möchtest.
Abgesehen davon hinterlasse ich Dir die Hälfte dessen, was ich besitze, insgesamt 50 000 Pfund. Ich kann nur hoffen, dass Du, lieber Alex, eines Tages nach Hause kommst und mir vergibst. Egal, welche Fehler Sebastian hat: Ich musste auch ihn lieben. Kannst Du das verstehen?
Deine Dich liebende Großmutter Constance X
»Ein schöner Brief.«
»Ja«, pflichtete Alex ihr bei. »Em, ich habe Oma mindestens drei- oder viermal Briefe mit meiner Adresse in Italien geschrieben. Vermutlich hat Sebastian den Postboten abgefangen, meine Schrift erkannt und die Briefe verschwinden lassen. So musste Oma denken, ich hätte mir nicht die Mühe gemacht, ihr mitzuteilen, wo ich bin.«
»Das würde mich nicht wundern«, sagte Emilie. »Danke, dass ich den Brief lesen durfte. Aber welchen Bezug hat er zu den anderen Dingen, die Sie mir gezeigt haben?«
»Bitte lesen Sie nun, was sonst noch in der Mappe steht.«
Als Emilie das tat, machte sie große Augen.
»Sie sehen also, dass Oma sich zumindest in einer Hinsicht getäuscht hat: Das Buch, das sie mir hinterlassen hat, besitzt nicht nur ›emotionalen‹ Wert.«
»Ja.«
»Als ich nach dem Unfall aus dem Krankenhaus und nach Hause kam, habe ich in der Bibliothek nach dem Buch gesucht und den dummen Fehler gemacht, Seb zu bitten, dass er es für mich vom Regal holt. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich sehr um eine Annäherung bemüht. Als er mich fragte, ob er es ein paar Tage ausleihen könne, habe ich ja gesagt. Obwohl ich ihn immer wieder gebeten habe, es mir zurückzugeben, hat er das nicht getan. Deshalb habe ich Verdacht geschöpft und mich im Internet über das Buch informiert. Ich wusste, dass es, wenn er es nicht schon verkauft hatte, im Safe liegen würde. Da war es dann auch.«
»Warum hat er es noch nicht verkauft?«, fragte Emilie. »Und wieso haben Sie es nicht nachdrücklicher zurückverlangt, wenn Sie wissen, wie wertvoll es ist?«
»Weil mir klar war, dass Seb es nicht verkaufen würde. Ich kenne meinen Bruder gut genug, um über seine Geldgier Bescheid zu wissen. Er würde sich nie mit etwas zufriedengeben, von dem er weiß, dass sich noch mehr herausschlagen lässt. Lesen Sie laut vor, was ich Ihnen ausgedruckt habe.«
Emilie tat ihm den Gefallen.
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Die Herkunft französischer Obstsorten
Von Christophe Pierre Beaumont. 1756. 2 Bände.
Wohl das beste und seltenste Buch über Früchte. Mit Illustrationen von 15 Arten von Obstbäumen. Inspiriert durch eine Duchamel-Publikation aus den 1730er Jahren mit dem Titel Anatomie de la Poire , Illustrationen von Guillaume Jean Gardinier und François Joseph Fortier. Beaumont wollte darin Heilkraft und Nährwert fruchttragender Bäume bekannt machen. In dem Werk werden
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