Der Lavendelgarten
die beste Schützin der Gruppe und konnte mittlerweile auch mit Dynamit umgehen, deutlich besser als Venetia, die sie einmal alle beinahe in die Luft gejagt hätte, als sie eine Handgranate im Graben zündete.
»Immerhin zeigt das, dass ich es kann«, hatte sie gesagt, als sie anschließend nach Wanborough Manor zurückgestapft war.
»Glaubst du wirklich, dass unsere Venetia für die Aufgaben in Frankreich geeignet ist?«, fragte James Connie eines Abends bei Kaffee und Brandy im Salon. »Sonderlich diskret ist sie ja nicht gerade, was?« Er musste lachen, als Venetia und Henry einander auf der Terrasse für alle sichtbar umarmten.
»Venetia wird sich prima schlagen«, verteidigte Connie ihre Freundin. »Sie hat gesunden Menschenverstand, und darauf kommt es im Notfall an, behaupten sie doch die ganze Zeit.«
»Attraktiv, wie sie ist, wird sie sich mit ihrem Charme aus den meisten schwierigen Situationen herausreden können«, pflichtete James ihr bei. Anders als ich«, fügte er traurig hinzu. »Das ist die Ruhe vor dem Sturm, oder, Con? Ehrlich, ich hab schreckliche Angst, besonders vor dem Fallschirmspringen. Meine Knie tun mir so schon weh genug.«
»Keine Sorge.« Connie tätschelte seine Hand. »Möglicherweise kommst du in den Genuss eines Festlandflugs mit der Lizzy.«
»Das hoffe ich«, sagte James. »Wenn ich mich aus den Ästen eines Baums befreien muss, wo ich bei meinem Glück bestimmt lande, erregt das garantiert Aufmerksamkeit.«
James war der Einzige der Gruppe, der seine Zweifel offen aussprach, und weil Connie und er die ruhigsten, rationalsten der jungen Agenten waren, verstanden sie sich gut.
»Sind die Pfade des Schicksals nicht verschlungen?«, fragte James und nahm einen Schluck Brandy. »Wenn ich mich frei hätte entscheiden können, hätte ich ein völlig anderes Leben gewählt.«
»So geht’s im Moment wahrscheinlich den meisten Menschen«, meinte Connie. »Wenn kein Krieg wäre, würde ich vermutlich im Hochmoor von North Yorkshire kugelrund werden und jedes Jahr einen Sprössling zur Welt bringen.«
»Neuigkeiten?« James wusste über Lawrence Bescheid.
»Nein.« Connie seufzte.
»Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben, Con.« Nun war es an ihm, ihre Hand zu tätscheln. »Gott, ist das ein Durcheinander auf der Welt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dein Mann noch lebt, ist nicht geringer als die Alternative.«
»Ich versuche, die Hoffnung nicht aufzugeben«, sagte Connie, doch jeder Tag, der verging, fühlte sich an wie eine Schaufel Erde auf des Grab von Lawrence. »Vorausgesetzt, dieser verdammte Krieg findet irgendwann ein Ende: Was hast du dann vor?«, versuchte sie, das Thema zu wechseln.
»Oje!« James lachte. »Im Moment kann ich mir das gar nicht vorstellen. Meine Pläne ähneln den deinen: Ich werde einfach nach Hause zurückkehren und das Familienerbe antreten. Heiraten, die nächste Generation zeugen …« Er zuckte mit den Achseln. »Du weißt ja, wie es ist.«
»Immerhin kannst du deinen Kindern einmal Französisch beibringen. In den letzten Wochen bist du deutlich besser geworden«, versuchte sie, ihn aufzumuntern.
»Danke, Con, das ist nett von dir. Vorher habe ich zufällig ein Telefonat des Hauptmanns mit Buckmaster mitgekriegt. Ja, ich habe gelauscht.« James grinste. »Sollen wir nicht immer die Ohren offen halten? Jedenfalls hat der Hauptmann in den höchsten Tönen von dir geschwärmt und gesagt, du wärst die große Überraschung der Gruppe, eine Musterschülerin. Die Sektion F erwartet Großes von dir, meine Liebe.«
»Danke für die Information. Ich war immer eine Streberin«, erklärte Connie lachend. »Leider konnte ich mein Wissen bisher im wirklichen Leben nie anwenden.«
»Keine Sorge, Con. Ich glaube, deine Chance kommt noch.«
Einen Monat später war die erste Stufe der Ausbildung zu Ende. Die Agenten wurden zu langen, zermürbenden Einzelsitzungen mit dem Hauptmann einberufen, der ihnen unverblümt ihre Stärken und Schwächen aufzeigte.
»Sie haben sich ausgesprochen gut geschlagen, Constance. Wir sind alle sehr zufrieden mit Ihren Fortschritten«, sagte der Hauptmann. »Als einzige Kritik haben die Ausbilder anzubringen, dass Sie Entscheidungen manchmal ein bisschen zu zögerlich treffen. Im Einsatz kann Ihr Schicksal von Ihrer sofortigen Reaktion auf eine Situation abhängen. Können Sie das nachvollziehen?«
»Ja, Sir.«
»Sie haben guten Instinkt bewiesen. Vertrauen Sie ihm; ich glaube nicht, dass er Sie täuscht. Wir schicken
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