Der Lavendelgarten
ein Bad ein. Connie versuchte sich unterdessen ziemlich aufgewühlt in einem Sessel sitzend zu erklären, was sie unten gesehen hatte. Sie hatte sich viele Szenarien ausgemalt und diese sogar während ihrer Ausbildung durchgespielt. Doch auf die Idee, dass sie ihre erste Nacht im besetzten Paris bei einem Fest mit dem Feind verbringen würde, war sie nie gekommen.
Sarah geleitete sie ins Bad, wo Connie sich nach zwei Tagen ohne Möglichkeit, sich zu waschen, eine Weile im heißen Wasser entspannte. Als sie der Wanne widerwillig entstieg, gestattete sie sich ein Schmunzeln über die Ironie des Schicksals, das sie hierhergeführt hatte.
Sarah erwartete sie in ihrem Zimmer auf der Chaiselongue am Fußende des Betts und deutete auf den Platz neben sich. »Bitte setzen Sie sich, Constance.«
Connie tat ihr den Gefallen.
»Édouard, den Sie unten kennengelernt haben, wollte, dass ich mit Ihnen spreche, bevor Sie ihm beim Abendessen Gesellschaft leisten. Wir haben nicht viel Zeit, also hören Sie sich das, was ich Ihnen zu sagen habe, bitte aufmerksam an. Ich heiße Sarah Bonnay und arbeite seit vielen Jahren für die Familie de la Martinières. Édouard hat mich gebeten, Ihnen zu erklären, was jetzt geschieht.«
Connie bedankte sich nervös.
»Ich höre die Angst in Ihrer Stimme, Constance, und ich kann sie verstehen. Aber glauben Sie mir, Sie können von Glück sagen, dass Sie in diesen schwierigen Zeiten in sichere Hände gelangt sind«, tröstete Sarah sie. »Allerdings bringt Ihr unerwartetes Erscheinen uns alle in Gefahr. Niemand konnte wissen, dass wir heute … Gäste haben. Wir müssen die Situation irgendwie in den Griff bekommen. Constance, an Ihrem ersten Abend in Paris müssen Sie die Vorstellung Ihres Lebens geben. Édouard wird Sie als seine Cousine aus dem Süden vorstellen. Er sagt, Sie haben Verwandte dort?«
»Ja, meine Tante, die Baroness du Montaine, besitzt ein Château in St. Raphaël.«
»Und er hat ein Anwesen in Gassin ganz in der Nähe«, erklärte Sarah. »Es ist also denkbar, dass die Montaines und die de la Martinières verwandt sind. Falls jemand fragt, erzählen Sie beim Abendessen folgende Geschichte: Sie sind nach Paris gekommen, um Cousin und Cousine zu besuchen und sie über den Tod Ihres gemeinsamen Onkels Albert zu informieren.«
»Verstehe.«
»Constance, überlassen Sie Édouard das Reden«, fuhr Sarah fort. »Sagen Sie von sich aus so wenig wie möglich. Seien Sie einfach Sie selbst, das ist das Einfachste.«
»Ich tue, was ich kann.«
Sarah musterte sie. »Sie dürften in etwa die gleiche Größe wie die verstorbene Emilie de la Martinières, Édouards Mutter, haben, die vor vier Jahren, vor dem Krieg, gestorben ist. Manchmal könnte man sie fast beneiden …« Sie seufzte. »Ich bringe Ihnen eines ihrer Kleider. Wenn Sie möchten, frisiere ich Ihnen die Haare. Je hübscher, charmanter und ahnungsloser Sie erscheinen, desto weniger Gefahr besteht für uns alle. Haben Sie verstanden, Constance?«
»Ja.«
»Beeilen Sie sich nun bitte, und gesellen Sie sich so rasch wie möglich zu den Gästen im Salon. Ich erkläre Édouard, was wir besprochen haben, wenn er seine jüngere Schwester Sophia von oben holt. Geben Sie Ihr Bestes. Die Leute, die sich heute hier versammelt haben, dürfen nichts ahnen. Sonst …« Sarah erhob sich seufzend von der Chaiselongue, »… ist alles verloren für die de la Martinières.«
»Ich verspreche, mein Möglichstes zu tun«, presste Connie hervor.
»Wir beten alle, dass Ihnen das gelingt.«
Zwanzig Minuten später stand Connie vor der Tür zum Salon. Sie schickte ein kurzes Gebet zum Himmel, bevor sie sie öffnete und eintrat.
»Constance, ma cousine !« Édouard löste sich aus der Menge der Gäste und begrüßte sie mit Wangenküsschen. »Haben Sie sich ein wenig von den Strapazen der Reise erholt? Sie sehen blendend aus.«
»Ja«, antwortete Connie, die wusste, dass sie äußerlich einen sehr guten Eindruck machte. Sarah hatte sie gekämmt, ihr beim Schminken assistiert und in ein prächtiges, von Monsieur Dior entworfenes Abendkleid geholfen. Geborgte Diamanten an Ohren und Hals vervollständigten das Bild.
»Kommen Sie, ich stelle Sie meinen Freunden vor.« Édouard reichte Connie seinen Arm und führte sie zu den Gästen, deren Uniformen sie in der Ausbildung zu identifizieren gelernt hatte.
»Hans, darf ich Ihnen meine liebe Cousine Constance Chapelle vorstellen, die uns mit einem Besuch in Paris beehrt? Constance, Kommandant
Weitere Kostenlose Bücher