Der Lavendelgarten
nicht täuschen. Falk von Wehndorf ist einer der gefährlichsten Männer in der gegenwärtigen Verwaltung von Paris und geht erbarmunglos gegen Verräter vor. Er ist verantwortlich für die Verhaftung zahlreicher Mitglieder des Netzwerks, dem Sie sich anschließen sollten.«
Connie bekam eine Gänsehaut. »Er ist gebildet und scheint Frankreich zu mögen.«
»Er schätzt die Geschichte, Kultur und Kultiviertheit unseres Landes, möchte es aber für sich und Deutschland. Das macht ihn so gefährlich. Und er liebt, wie wir heute Abend gesehen haben, die französischen Frauen.« Édouard hob die Augenbrauen. »Wenn er Sie begehrt … Egal, über die Zukunft unterhalten wir uns morgen.« Édouard stellte sein Glas ab, stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Heute Abend ist für Sie nur wichtig zu wissen, dass Sie bei uns sicher sind und ungestört schlafen können.« Édouard bot ihr seinen Arm an. »Wollen wir uns zurückziehen?«
»Ja.« Connie erhob sich, ein Gähnen unterdrückend, ebenfalls, und gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf.
»Gute Nacht, Cousine Constance.«
»Gute Nacht, Édouard.«
Oben legte Connie Schmuck und Kleidung ab, schlüpfte in das große, bequeme Bett und schlief sofort ein.
Am folgenden Morgen schreckte Connie desorientiert aus dem Schlaf auf. Als ihr bewusst wurde, wo sie sich befand, sank sie mit einem Seufzen in die weichen Kissen zurück. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es nach zehn war. Sie war entsetzt. Noch nie zuvor hatte sie so lange geschlafen. Connie stand auf, öffnete ihren Koffer und zog die schlichte Bluse und den Rock an, die Sektion F als passend für ihre Schullehrerinnengarderobe erachtete. Nachdem sie vor dem Spiegel hastig ihre Haare gerichtet hatte, ging sie nach unten, um Édouard und Sophia zu suchen.
»Der Comte hält sich in der Bibliothek auf, Madame«, erklärte ihr Sarah, der sie im Eingangsbereich begegnete. »Ich soll Ihnen sagen, dass Sie sich zu ihm gesellen möchten. Darf ich Ihnen das Frühstück auf einem Tablett servieren?«
»Nur einen Kaffee, danke sehr«, antwortete Connie, die noch von dem üppigen Essen am Vorabend satt war. In diesem Haus spürte man die Lebensmittelrationierung offenbar nicht. Sie folgte Sarah zur Bibliothekstür und klopfte.
Édouard saß in einem bequemen Ledersessel zwischen Bücherregalen, die vom Boden bis zur Decke reichten. Als sie eintrat, hob er den Blick von seiner Zeitung.
»Guten Morgen, Constance, setzen Sie sich doch bitte.« Er deutete auf einen Sessel auf der anderen Seite des Kamins.
Sie bedankte sich und nahm Platz. »Was für eine wunderbare Bibliothek.« Sie sah sich bewundernd um.
»Ein Erbe meines Vaters, aber sie ist auch meine Leidenschaft. Wenn irgend möglich, möchte ich die Sammlung vergrößern. So viele Bücher sind in Europa von den Nazis verbrannt worden, das verleiht ihr noch größeren Wert.« Édouard, der müde und ernst wirkte, stieß einen tiefen Seufzer aus und erhob sich. Als Connie im Tageslicht die feinen Falten in seinem Gesicht entdeckte, wurde ihr klar, dass er Mitte dreißig sein musste.
»Schildern Sie mir jetzt bitte die genauen Umstände, die Sie gestern Abend zu mir geführt haben, Constance.«
Connie erklärte, dass der Helfer, der sie am Gare Montparnasse hätte erwarten sollen, nicht erschienen und sie deshalb zu der Adresse in der Rue de Rennes gegangen war, die Stefan ihr gegeben hatte.
»Wissen Sie, ob Sie beim Betreten des Gebäudes beobachtet wurden?«, fragte Édouard.
»Ich habe keine Uniformierten bemerkt. Als ich gehen wollte, hat die Frau aus der Nachbarwohnung mir zugeflüstert, dass die Gestapo in Nummer siebzehn gewesen ist und die Bewohner festgenommen hat. Sie hat mir geraten, das Haus durch die hintere Tür zu verlassen.«
»Hat sie Ihr Gesicht gesehen?«
»Wenn, nur ganz kurz.«
»Hoffentlich kann sie den Mund halten. Bis jetzt scheint das Glück Ihnen hold gewesen zu sein, Constance. Apartment siebzehn war einer der wichtigsten Unterschlupfe für das Scientist-Netzwerk. Wie die Nachbarin ganz richtig gesagt hat, wurde in der Nacht vor Ihrem Auftauchen eine Razzia durchgeführt. Die Verhaftungswelle ist noch nicht zu Ende. Mit ziemlicher Sicherheit stand das Apartment zu dem Zeitpunkt, als Sie dort eintrafen, noch unter Beobachtung, weil die Deutschen Agenten abfangen wollten, die von der Razzia nichts mitbekommen hatten. Wir können nur hoffen, dass niemand Sie beim Betreten des Hauses beobachtet hat. Vielleicht haben sie
Weitere Kostenlose Bücher