Der Lavendelgarten
einen kleinen Hof, zu einem Tor und einem Weg für die Müllmänner führt. Von dort gelangen Sie auf eine andere Straße. Gehen Sie, schnell, Madame!«
Die Tür schloss sich sofort wieder. Connie, die sich an das erinnerte, was sie in der Ausbildung gelernt hatte, schlüpfte aus den Schuhen, damit man ihre Schritte auf der Treppe nicht hörte, und hastete hinunter. Als sie die Tür erreichte, die die Frau ihr beschrieben hatte, öffnete sie sie in der Hoffnung, dass es sich nicht um eine Falle handelte, und sah, dass sie auf einen kleinen Hof ging. Sie zog die Schuhe wieder an, machte das Tor auf, folgte dem schmalen Weg und gelangte auf eine benachbarte Straße. Connie entfernte sich bewusst langsam.
Einen guten Kilometer von Apartment siebzehn entfernt entdeckte Connie, die mittlerweile vor Hunger und Aufregung weiche Knie hatte, ein Café mit Tischen auf dem Gehsteig. Sie setzte sich auf einen leeren Platz und stellte ihren Koffer darunter. Nach einem Blick in die kleine Speisekarte bestellte sie einen Croque Monsieur. Sobald er serviert war, machte sie sich hungrig darüber her und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
Trotz der vielen Leute hatte sie sich in Paris nie einsamer gefühlt. Obwohl sie aus ihrer Zeit an der Sorbonne viele Leute kannte und einige Verwandte aus der Familie ihrer Mutter in der Stadt wohnten, durfte sie keinen Kontakt aufnehmen.
Die Tatsache, dass vertraute Menschen und Hilfe so nah und doch so fern waren, machte die Situation fast unerträglich. Offenbar hatte Stefan recht gehabt mit seiner Vermutung, dass ihr Netzwerk aufgrund der Verhaftungswelle der Gestapo untergetaucht war. Connie leerte ihren Kaffee in dem Wissen, dass sie sich nun nur noch an die letzte Adresse wenden konnte, die Stefan ihr genannt hatte. Sie zahlte, nahm ihren Koffer und ging.
Sie folgte der Straße nach Norden, zuckte jedes Mal nervös zusammen, wenn sie einen Lastwagen heranrumpeln hörte, und erreichte schließlich die Rue de Varenne – einen breiten, baumbestandenen Boulevard mit eleganten Gebäuden. Viele davon wirkten dunkel und still, doch das Haus, zu dem sie wollte, war eindeutig bewohnt. Hinter allen Fenstern brannte Licht, in einem der Räume vorn konnte sie sogar schattenhafte Gestalten erkennen.
Connie holte tief Luft, überquerte die Straße, stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf und klingelte.
Wenig später öffnete eine ältere Bedienstete die Tür. Nachdem sie Connie von oben bis unten gemustert hatte, fragte sie ein wenig herablassend: »Ja?«
»Ich bin hier, um mit Hero zu sprechen«, flüsterte Connie. »Bitte sagen Sie ihm, Stefan schickt ihm Grüße.«
Auf das Gesicht der Bediensteten trat ein besorgter Ausdruck. »Bitte, Madame, kommen Sie leise herein. Ich hole ihn.«
»Er ist hier?«, fragte Connie erleichtert.
»Ja, aber …« Die Bedienstete wirkte unsicher. »Einen Augenblick, bitte, Madame.«
Als die Frau durch eine der Türen verschwand, bewunderte Connie die schönen alten Möbel und die elegant geschwungene Treppe, die das Zentrum des Eingangsbereichs bildete. Die Bewohner dieses Hauses gehörten einer Welt des Wohlstands an, die sie gut kannte und in der sie sich wohlfühlte.
Wenig später kam ein groß gewachsener dunkelhaariger Mann mit feinen Gesichtszügen in voller Abendkleidung mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. »Guten Abend, meine Liebe!«, begrüßte er sie und drückte die erstaunte Connie an sich. »Was für eine schöne Überraschung!« Während er sie umarmte, flüsterte er ihr ins Ohr: »Wir haben Gäste. Sie könnten Sie draußen gesehen haben.« Laut sagte er: »Wie war die Reise?«
»Lang«, antwortete sie verblüfft.
»Sind Sie Französin?«, fragte er, immer noch dicht an ihrem Ohr.
»Ja, meine Familie kommt aus St. Raphaël«, flüsterte sie zurück.
»Wie heißen Sie?«
»Constance Chapelle. Meine Tante ist die Baroness du Montaine.«
»Die Familie kenne ich.« Er klang erleichtert. »Dann sind Sie meine Cousine zweiten Grades, die mich besucht. Gehen Sie mit Sarah nach oben. Wir unterhalten uns später.« Er löste sich von ihr und sprach normal weiter. »Reisen aus dem Süden sind heute wegen der Sicherheitskontrollen so beschwerlich. Wir sehen uns unten, wenn Sie sich frisch gemacht haben, meine liebste Constance.«
Er öffnete die Tür zum Salon.
Da sah Connie die deutschen Uniformen dahinter.
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11
Nachdem Sarah sie nach oben zu einem luxuriösen Zimmer gebracht hatte, ließ sie ihr
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