Der Lavendelgarten
zum Bahnhof verlief zum Glück ohne Zwischenfälle. Vieux-Briollay sah ziemlich genau so aus, wie Connie die Gegend aus der Zeit vor dem Krieg in Erinnerung hatte, nur dass jetzt eine Hakenkreuzfahne am Rathaus wehte.
Stefan erwarb die Fahrkarte für Connie und gab sie ihr. Dabei wanderte sein Blick immer wieder nervös über den Bahnsteig.
»Ich muss Sie jetzt verlassen. Auf Wiedersehen, Madame«, sagte er und küsste sie auf beide Wangen, als wäre sie eine Verwandte. »Melden Sie sich«, fügte er hinzu und schlenderte, nachdem er wieder eine Zigarette angezündet hatte, davon.
Der Zug traf um Punkt elf Uhr ein. Buckmaster hatte einmal gescherzt, der einzige Vorteil der deutschen Besetzung sei die Pünktlichkeit der französischen Verkehrsmittel. Connie bestieg den Zug und verstaute ihren Koffer in der Ablage über ihr. Als ihr Magen knurrte, schloss sie die Augen in der Hoffnung, dass das Rattern der Räder sie beruhigen würde. Bei jedem Halt öffnete sie sie wieder, um die neu Eingestiegenen zu begutachten.
In Le Mans hatte sie Zeit, am Bahnsteig ein trockenes Gebäckstück zu erstehen. Von der Bank aus, auf die sie sich setzte, um auf ihren Zug nach Paris zu warten, sah sie zum ersten Mal einen deutschen Offizier, der mit dem Bahnhofsvorsteher plauderte.
Am Nachmittag fuhr ihr Zug schließlich im Pariser Gare Montparnasse ein. Als Connie mit den anderen Fahrgästen den Bahnsteig entlangging, bereitete sie sich innerlich darauf vor, den ersten Kontrollpunkt der Miliz zu passieren. Einige ihrer Mitreisenden wurden aufgehalten, ihre Koffer auf Tischen geöffnet. Connie klopfte das Herz bis zum Hals, doch keiner der französischen Polizisten würdigte sie eines Blickes.
Hocherfreut darüber, dass sie ohne Zwischenfälle an ihnen vorbeigekommen war, sah Connie sich nach dem tabac um, an dem sie sich mit dem Helfer treffen sollte. Im Bahnhof wimmelte es von Arbeitern, die nach Hause wollten. Am Ende entdeckte sie den Kiosk in einer Ecke. Wie von Stefan instruiert erwarb sie dort eine Packung Gauloises und ließ sie auf den Boden fallen.
Sie hob die Packung auf, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie mit Stefans Streichhölzern an. Dabei blickte sie sich um, ob sich jemand aus der Menge löste und sich ihr näherte.
Connie rauchte die ganze Zigarette, ohne dass jemand aufgetaucht wäre. Sie trat sie aus, sah auf ihre Uhr und seufzte, als wäre sie versetzt worden. Zehn Minuten später nahm sie eine weitere Zigarette aus der Packung und verwendete wieder dieselbe Streichholzschachtel. Auch diese Zigarette rauchte sie ganz.
Nach der dritten wusste Connie, dass niemand kommen würde.
»Tja, dann Plan B«, murmelte sie, verließ den Bahnhof und betrat zum ersten Mal die Straßen des besetzten Paris. Zur Rue de Rennes war es nicht weit. Als sie auf den ersten Blick keine allzugroßen Veränderungen in der Stadt entdecken konnte, die sie kannte und liebte, wurde sie ruhiger. An jenem lauen Sommerabend konnte man auf den belebten Straßen fast den Eindruck gewinnen, dass sich nichts verändert hatte.
Als Connie die Rue de Rennes erreichte, brach schon die Dämmerung herein. Nachdem sie die Hausnummer gefunden hatte, die sie suchte, ging sie, auf mögliche Gefahren achtend, auf der anderen Straßenseite daran vorbei. Am Ende der Straße überquerte sie diese und kehrte zurück. Mit ihrem Koffer kam sie sich ziemlich auffällig vor.
Schließlich bewegte sie sich schnurstracks zu der prächtigen Eingangstür und drückte ohne zu zögern die Klinke herunter. Die Tür ließ sich leicht öffnen. Connie durchquerte den mit Marmor gefliesten Eingangsbereich und stieg mit widerhallenden Schritten die Treppe hinauf. Im dritten Stock fand sie die Nummer siebzehn gleich rechts, holte tief Luft und klopfte wie besprochen zuerst zweimal, dann dreimal.
Keine Reaktion. Unsicher, ob sie warten oder noch einmal klopfen sollte, entschied Connie sich mit wild pochendem Herzen dagegen. Man hatte ihr gesagt, dass sie es einmal probieren solle, was bedeutete, dass sie nun so schnell wie möglich verschwinden musste. Es lag auf der Hand, dass Stefans Ängste des Netzwerks wegen begründet waren. Sie wollte gerade wieder die Treppe hinuntergehen, als die Tür zu der Wohnung neben Apartment siebzehn sich einen Spalt weit öffnete.
»Madame!«, flüsterte eine Stimme. »Ihre Freunde sind weg. Die Gestapo war gestern hier. Das Gebäude wird bestimmt überwacht. Gehen Sie lieber nicht vorne raus. Hinten gibt es eine Tür, die auf
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