Der Lavendelgarten
glaubte sich zu erinnern, dass er Tränen in den Augen gehabt hatte.
Am folgenden Morgen fuhr Emilie mit dem Land Rover nach Moulton, um die Vorräte für das kommende Wochenende aufzustocken. Sebastian würde am Abend um neun mit dem Zug ankommen und gegen zehn bei ihr sein.
»Wie ist es dir ergangen?«, fragte er, als er nach Hause kam.
»Gut«, antwortete sie und zog ihn in die frisch gestrichene Küche. »Gefällt’s dir?«
Sebastian schaute sich um. »Ja, was für ein Unterschied«, staunte er. »Wie um Himmels willen hast du’s geschafft, die Anrichte zu verschieben?«
»Alex hat mir geholfen.«
»Alex?« Sebastians Miene wurde finster. »Was hatte er hier verloren? Er war doch nicht lästig, oder?«
»Nein. Er hat sich gesittet benommen. Es gibt viel zu erzählen, aber das hat bis morgen Zeit. Hast du Hunger? Ich habe Suppe gekocht und frisches Brot gekauft.«
»Prima«, sagte Sebastian und setzte sich. »Und dazu ein Glas Wein, wenn wir welchen haben.«
»Ja.« Emilie schenkte ihm aus der halb leeren Flasche von Alex ein.
»Der ist sehr gut«, bemerkte er. »Bestimmt nicht aus dem Spar im Ort, oder?«
»Nein, den hat Alex mitgebracht. Also …«, fuhr Emilie hastig fort, weil sie nicht den Rest des Abends über seinen Bruder reden wollte. »Wie war’s in London?«
»Ich hab dir ja schon am Telefon gesagt, dass ziemliches Chaos herrscht, aber allmählich sehe ich wieder Land. Heute habe ich den größten Teil des Tages damit verbracht, die Kontakte aus meiner Kundendatei aufzufrischen. Wahrscheinlich muss ich nächste Woche nach Frankreich. Der Kunde, dessentwegen ich dort war, als wir uns begegnet sind, hat nach wie vor Interesse. Möglicherweise habe ich einen Picasso für ihn aufgespürt, in einem Château in der Nähe von Menton.«
»Das ist nicht weit von Gassin weg«, stellte Emilie begeistert fest. »Kann ich dich begleiten?«
»Gute Idee, aber es lohnt sich nicht, weil ich nur sehr kurz dort sein werde. Wolltest du nicht in einer Woche sowieso nach Frankreich?«
»Ja. Ich habe ein bisschen Heimweh«, seufzte sie.
»Das kann ich mir vorstellen.« Sebastian nahm ihre Hand. »Der Start in England war nicht gerade der beste. Ich verspreche dir, Schatz, im Frühjahr wird es hier licht und hell. Außerdem ist es ein schönes Gefühl für mich zu wissen, dass du in Blackmoor Hall auf mich wartest. Die Suppe ist übrigens köstlich. Wenn es nicht schneit, können wir morgen ein bisschen raus. Dann zeige ich dir die Gegend.«
»Gern. Es ist merkwürdig, ohne dich hier zu sein.«
»Ich weiß. Das Leben in England bringt große Veränderungen für dich. Aber wie gesagt: Es ist ja nur für ein paar Monate, höchstens ein Jahr. Dann überlegen wir, wo wir uns endgültig niederlassen. Nach den turbulenten Wochen macht es dir vielleicht Freude, ein bisschen auszuspannen und dich nur um deinen frisch angetrauten Ehegatten zu kümmern.«
»Wenn er denn mal da ist …«
»Emilie«, seufzte Sebastian gereizt, »ich habe dir doch gesagt, dass ich tue, was ich kann. Wir müssen beide Kompromisse machen, bis mein Geschäft wieder läuft.«
Sofort bekam Emilie ein schlechtes Gewissen. »Natürlich. Nach dem durchschlagenden Erfolg mit der Küche könnte ich noch andere Räume freundlicher gestalten. Zum Beispiel unser Schlafzimmer?«
»Gern. Alles, was das alte Gemäuer ein bisschen wohnlicher macht, ist mir recht. Ich muss dich allerdings warnen: Das dürfte eine Sisyphosarbeit werden. Aber ich weiß es zu schätzen, dass du dir das antun möchtest. Ich bin müde. Wollen wir ins Bett gehen?«
»Lass du dir schon mal ein Bad ein, während ich hier unten aufräume«, schlug Emilie vor.
Sebastian bedankte sich und stand auf. »Die letzten Tage waren wirklich hart.«
Emilie hörte, wie Sebastian die Treppe hinaufging, und dann das Ächzen der uralten Rohre, wie er das Wasser einließ. Mit schlechtem Gewissen darüber, dass sie Sebastian noch nichts von der Flucht der letzten Pflegerin erzählt hatte, klopfte Emilie an Alex’ Tür.
»Wer ist da?«, fragte eine Stimme von drinnen.
»Emilie. Darf ich reinkommen?«
»Die Tür ist nicht verschlossen.«
Alex, der mit einem Buch in einem Sessel am Kamin saß, begrüßte sie mit einem Lächeln.
»Hallo.«
»Hallo. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es Ihnen gut geht.«
»Wie Sie sehen, liege ich sturzbesoffen in meiner Kotze«, spottete er. »Vermutlich haben Sie Seb mitgeteilt, dass ich ohne Aufpasserin bin?«
»Nein, noch nicht. Er ist
Weitere Kostenlose Bücher