Der Lavendelgarten
ziemlich erschöpft, und ich wollte ihm keinen Stress machen. Ich werde ihm morgen sagen, dass Sie keine Vollzeitbetreuung brauchen. Und falls er weiterhin darauf besteht, erkläre ich ihm, dass eine Teilzeitkraft für den Haushalt reicht. Das spart ihm auch Geld.«
»Em, ich …« Alex hob eine Augenbraue. »Egal. Danke, dass Sie sich für mich einsetzen. Das ist mal was Neues in diesem Haus.«
»Sie werden Sebastian überzeugen müssen, dass Sie wirklich nur eine Haushaltshilfe benötigen«, betonte sie.
»Ja. Im Bodenschrubben und Bettenmachen besitze ich tatsächlich kein großes Geschick. Dabei verheddere ich mich gern im Überzug.« Alex schmunzelte. »Aber ich verspreche, dass ich mir Mühe geben werde, ein artiger Junge zu sein. Ich weiß Ihre Unterstützung zu schätzen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Emilie ging das Thema Alex am folgenden Tag in einem gemütlichen Pub im Hochmoor an. Sebastians Miene verfinsterte sich, als sie ihm von der Flucht der letzten Pflegerin erzählte, und so fügte sie hastig hinzu, dass Alex inzwischen viel mehr selbst erledigen könne und sie ihm eine Chance geben sollten.
»Emilie«, seufzte Sebastian, »das Thema hatten wir doch schon. Es ist wirklich nett von dir, dass du ihm hilfst, aber du kennst Alex’ Launen nicht. Was, wenn er wieder zu saufen anfängt? Oder wenn ihm was passiert, während er sich aus dem Rollstuhl hievt?
»Dann können wir ihm immer noch mit einer neuen Vollzeitpflegerin drohen. Vielleicht wäre er nicht so frustriert, wenn er mehr Selbständigkeit hätte. Wir könnten ja einen Panikknopf für ihn installieren lassen.«
»Heißt das, du wärst bereit, die Verantwortung für ihn zu übernehmen?« Sebastian trank einen Schluck Bier. »Denn ich werde in den kommenden Monaten keine Zeit haben, mich um meinen Bruder zu kümmern.«
»Bisher hat Alex mich um nichts gebeten. Er hat mir sogar geholfen, die Küche zu streichen, und mir was gekocht.«
»Ach. Dann hat er also die große Charmeoffensive gestartet. Tut mir leid, Emilie …« Sebastian schüttelte den Kopf. »Ich habe tausendmal erlebt, wie geschickt er Menschen manipuliert. Dich scheint er auch schon um den Finger gewickelt zu haben. Wahrscheinlich möchte er, dass du dich um ihn kümmerst. Er hat mir immer schon alles weggenommen«, erklärte er schmollend.
»Also wirklich, Sebastian!« Emilie war schockiert über die Reaktion ihres Mannes. »Manchmal bist du genauso schlimm wie er. Wie kannst du nur auf eine solche Idee kommen? Könnten wir es nicht eine Weile so probieren, wie Alex es vorschlägt? Er sehnt sich nach Unabhängigkeit, und möglicherweise wird der Umgang mit ihm leichter, wenn er sie kriegt. Sollten wir ihm nicht wenigstens die Chance geben, sich zu beweisen?«
Langes Schweigen, bevor Sebastian antwortete: »Na schön, ich gebe mich geschlagen. Aber so, wie ich das sehe, hat er dich schon auf seine Seite gezogen, und ich bin wieder der Böse, wenn ich Nein sage.«
»Danke.« Sie legte tröstend eine Hand auf die seine. »Ich möchte nur, dass das Leben im Haus ein bisschen ruhiger wird. Auch deinetwegen. Haben wir jetzt Zeit, nach Haworth zu fahren? Ich würde mir gern das Pfarrhaus ansehen, in dem die Brontës gelebt haben.«
An jenem Abend ging Emilie, während Sebastian in seinem Arbeitszimmer am Computer saß, zu Alex, der gerade in seiner Küche zu Abend aß.
»Sebastian hat sich auf meinen Vorschlag eingelassen.«
Alex wirkte erleichtert. »Das kommt einem Wunder gleich. Hut ab. Danke, Em.«
»Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, eine Haushaltshilfe für Sie zu finden. Wenn Sie bis dahin etwas brauchen sollten, sagen Sie bitte Bescheid.«
»Würden Sie mir eine halbe Stunde Gesellschaft leisten?«, fragte er.
»Das geht nicht. Ich bin gerade dabei, für Sebastian und mich zu kochen.«
»Natürlich.« Alex wandte sich wieder seinem Essen zu. »Dann wünsche ich noch einen schönen Abend.«
»Danke. Gleichfalls.«
Sebastian wartete in der Küche. »Wo warst du? Ich habe dich gerufen.«
»Ich habe nach Alex gesehen. Bei ihm ist alles in Ordnung«, antwortete Emilie.
»Gut.«
Während des Essens war Sebastian sehr schweigsam.
»Was ist, Sebastian?«, fragte Emilie, als sie das Geschirr abräumte. »Stimmt etwas nicht?«
»Nein, es ist nichts. Oder doch. Komm, setz dich.« Sebastian klopfte auf sein Knie.
Emilie nahm darauf Platz und küsste ihn sanft auf die Wange. »Raus mit der Sprache.«
»Das klingt jetzt sicher kindisch, aber ich will dich
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