Der Leberwurst-Mörder
hat er gehasst, ich musste sie umgehend fortbringen, sonst hätte er ihr Schlimmes angetan.«
»Oh je, warum das denn?«
Täusche ich mich, oder blitzt in Jules Augen etwas auf, das ich selbst nur allzu gut kenne – Jagdfieber? Sie glaubt, auf der richtigen Spur zu sein. Ihr Blick hängt wie gebannt auf Yvonnes Gesicht, weil sie die Antwort kaum erwarten kann.
»Na gut, euch kann ich es ja erzählen.« Yvonne wird noch leiser, und sie schüttelt den Kopf, als könnte sie es selbst nicht glauben. Die bunten Federn wackeln dabei lustig hin und her.
»Ich hab Mist gemacht, und mein Mann ist dahintergekommen.« Wieder stockt sie, und ich sehe, dass Jule sich auf die Zunge beißt, um nicht zu drängeln, indem sie
weiter, weiter
… ruft.
Mara stellt es geschickter an, sie fragt vorsichtig nach: »Hat das etwas mit einem anderen Mann zu tun?«
Yvonne wirft erneut einen kurzen Blick zum Haus hinüber und nickt. »Ich fühlte mich abends so oft allein, wenn Bernd noch in der Firma war. Und da hab ich mich, wirklich nur zum Spaß, bei so einem Onlinedating angemeldet. Mein Mann hätte nie etwas gemerkt, wenn dieser Peter mir nicht vor drei Wochen ein Kätzchen im Karton vor die Tür gestellt hätte, mit einer roten Rose darauf!«
Die Federfrau wird schon wieder wütend. Ich glaube, sie hat ein Problem, das viele Menschen haben – sie gibt immer anderen die Schuld an dem Schlamassel, in den sie gerät. Mit Jules Hilfe beruhigt Yvonne sich jedoch schnell wieder.
Wir erfahren, dass sie sich zwar sehr über das Kätzchen gefreut hat, den Karton mit der Rose jedoch schnell in der Scheune versteckte, damit ihr eifersüchtiger Mann ihn nicht fand. In der Stadt kaufte sie ein Katzenkörbchen, ein Katzenklo und was die kleinen Biester sonst noch so brauchen. Ihrem Mann erzählte sie, das Kätzchen sei ihr zugelaufen, und das kleine Wesen täte ihr gut, wenn sie längere Zeit hier ganz allein wäre. So duldete er den neuen Hausgast, seiner Yvonne zuliebe. Leider vergaß sie den Karton in der Scheune, wo ihr Mann ihn ein paar Tage später fand.
»Wir hatten einen Riesenkrach, er ist ja so eifersüchtig!«, schluchzt Yvonne. »Wir haben uns zwar schnell wieder versöhnt, aber Bernd bestand darauf, dass das Kätzchen fortkommt. Darum lebt es jetzt bei den Nachbarn auf dem Pferdehof im Stall mit fünf anderen Katzen. Außerdem versprach ich meinem Mann, den extra angeschafften Katzenkrimskrams zurückzubringen und mir das Geld wiedergeben zu lassen. Doch obwohl die Sachen fast noch neu waren, nahm der Laden sie natürlich nicht zurück.« Wieder wirft Yvonne einen besorgten Blick zum Haus hinüber.
Mir fällt an dieser Stelle unsere erste Begegnung wieder ein, als Yvonne,
Saftladen!
schimpfend, aus meinem Lieblingsladen gestürmt kam.
Jetzt verstehe ich. Die Federfrau erzählt weiter, dass das Tierheim die Sachen zwar gern genommen hat, aber nur als Spende, was unsere zweite Begegnung erklärt.
An dieser Stelle bin ich mir sicher, dass Yvonne nicht Lianes Mörder ist. Sie regt sich zwar schnell auf, aber ihre Wut verraucht auch im Pfoteumdrehen wieder.
»Warum schaust du eigentlich immer zum Haus?«, fragt Jule, und ich wedele vor Freude mit dem Schwanz, denn diese Frage stelle ich mir auch schon die ganze Zeit.
»Ich möchte nicht, dass Bernd mitbekommt, worüber wir reden. Das Thema wollen wir nicht mehr ansprechen. Am letzten Wochenende haben wir uns wieder versöhnt und hatten richtig Spaß beim Open Air
Rock the Docks
in Zug.«
»
Rock the Dogs
?«, fragt Mara verwundert. »Ein Rockfestival für Hunde?«
Yvonne lacht und schüttelt so heftig den Kopf, dass ich befürchte, ihre bunten Federn könnten davonfliegen, während ich mir gleichzeitig vorzustellen versuche, wie ein Rockkonzert für Hunde ablaufen könnte. Wenn von der Bühne
Who let the Dogs out?
herunterdröhnt, würden beim
who-who-who
alle Hunde rhythmisch bellen, mit dem Schwanz wedeln und vor Begeisterung im Chor mitheulen. So mache ich es jedenfalls immer zu Hause, wenn Jule diesen Song laufen lässt.
»Nein«, Yvonne kann gar nicht aufhören zu lachen, und es steht ihr viel besser als das Wütendsein. »Es heißt
Docks
, weil es in der Schweizer Stadt Zug direkt am Seehafen stattfindet. Wir haben kaum geschlafen, waren erst Montagfrüh zurück, aber es hat uns und unserer Beziehung sehr gut getan, gemeinsam abzurocken.«
Wenn ich mich nicht irre, sehe ich Erleichterung in den Gesichtern von Mara und Jule aufleuchten. Wahrscheinlich geht es ihnen wie
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