Der Leberwurst-Mörder
leise vor sich hin, sodass ich fürchte, das Knurren könnte nahtlos in Schnarchen übergehen. Doch dann antwortet er: »Menschen werden zu Verbrechern wegen des Geldes oder der Liebe. Und aus den gleichen Gründen können sie auch ihr Verhalten komplett ändern.« Spricht’s und schnarcht!
Hm, wegen Geld oder wegen der Liebe? Dass Liane wegen falscher Liebeshoffnungen sterben musste, vermuteten wir ja schon. Aber was erwartet die dicke Schmitz sich mit ihrer plötzlichen Freundlichkeit? Geld? Meine Gedanken fahren Achterbahn. Natürlich könnte es so sein, aber ebenso wäre möglich, dass ich mit allen Überlegungen gründlich danebenliege.
Ich muss einen Moment eingenickt sein, denn plötzlich schrecke ich auf, als erneut die Autotüren zuklappen und wir kurz darauf wieder fahren. Ich bin jetzt hellwach und hoffe, aus dem Gespräch der beiden Freundinnen etwas über ihren Besuch bei Heike Cleffmann zu erfahren.
Mara und Jule wirken ganz normal, überhaupt nicht, als ob sie mit einer eventuellen Mörderin gesprochen hätten. Ich höre Jule sagen: »Zum Glück hat sie uns die Geschichte abgenommen, dass wir vom Tierheim kommen. Sie war ja auch richtig gut drauf. Zwei Wochen Wellnessurlaub auf der Insel Usedom, das hätte ich auch mal gern.«
Mara nickt. »Ja, sie sah total entspannt aus.«
In diesem Moment weiß ich, dass auch unsere letzte Spur ins Leere lief. Heike Cleffmann kann es nicht gewesen sein, denn sie war zum Zeitpunkt des Mordes am anderen Ende Deutschlands.
Was nun? Ich fühle mich, als wäre ich die ganze Zeit einem Hasen dicht auf den Fersen gewesen, der sich, kurz bevor ich ihn schnappen konnte, in einen Adler verwandelte und davonflog.
»Wenigstens haben wir Orang-Utan-Klaus persönlich kennengelernt«, fasst Jule den ergebnislosen Besuch zusammen.
»Vielleicht sollten wir das Ermitteln wirklich der Polizei überlassen«, gibt Mara zu bedenken.
»Hm, ich wüsste auch nicht, wo wir jetzt weiter suchen sollten.« Jule schüttelt resigniert den Kopf.
So fahren die beiden mit dem Gefühl nach Hause, am Ende ihrer Ermittlungen zu sein, ohne etwas gefunden zu haben.
Aber irgendwie sagt mir mein Hundebauchgefühl, dass es nun erst richtig losgeht.
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Kapitel 13
La Statione
Zuhause blinkt wieder der Anrufbeantworter. Zum Glück ist es nichts Unangenehmes, sondern Karoline, die fragt, ob es Neuigkeiten gibt, und uns für Samstagnachmittag schon wieder zum Tee einlädt. Oh ja, ich freue mich!
Der Freitag vergeht unspektakulär. Ich treffe Nino am Tierheim und berichte ihm von der ins Leere laufenden Spur bei den Onlinedates. Mein Freund hört aufmerksam zu, seine Schmerzen haben etwas nachgelassen, seit der Tierarzt ihm gestern eine Spritze gegeben hat. Nino stimmt Flocke zu, dass Menschen sich bei wichtigen Entscheidungen fast immer entweder von der Liebe oder vom Geld leiten lassen. Er gibt mir einen Rat mit auf den Weg – wenn es das eine nicht ist, ist es eben das andere, das solle ich einfach im Hinterkopf behalten.
Aber Jule ist heute so seltsam, ganz aufgedreht. Sie fängt ständig irgendwelche Dinge an, nur um im nächsten Moment durchs Haus zu eilen und etwas völlig anderes zu tun. So gießt sie zum Beispiel die Blumen vor dem Fenster. Läuft mit der kleinen Gießkanne ins Bad, um sie erneut mit Wasser zu füllen. Kommt ohne Kanne zurück, wühlt in ihrer Kommode, hält triumphierend ihre türkisfarbenen Ohrringe in der Hand und ruft:
»Ha!« Malt sich die Fußnägel mit dieser ekelhaften Farbe an, die die Menschen Nagellack nennen und deren Gestank meiner empfindlichen Hundenase wehtut. Läuft barfuß durchs Haus, damit dieser Nagellack trocknen kann, und telefoniert dabei mit Mara.
»Ich weiß nicht, was ich anziehen soll«, klagt sie.
Maras Antwort kann ich nicht verstehen.
»Nein, das Blaue ist zu sexy.«
Wieder antwortet Mara irgendetwas, das Jule zum Lachen bringt.
»Okay, das kann ich nicht versprechen. Er ist einfach süß.«
Ach so, daher weht der Wind! Das hätte ich ja beinahe vergessen – heute Abend sind wir mit Franco zum Essen verabredet. Er muss für Jule wirklich jemand Besonderes sein, denn so aufgeregt habe ich sie lange nicht mehr erlebt, vor einem ihrer Dates. Sogar ich werde gebürstet und bekomme ein seidenes rotes Tüchlein um den Hals gebunden. Da fühle ich mich gleich noch viel mehr wie eine Dame. Jule sieht sehr fein aus in ihrem engen Kleid. Die blonden Haare fallen in leichten Wellen auf den blauen Stoff.
Die Aufregung
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