Der Leberwurst-Mörder
Aufmerksamkeit der sich nähernden Gestalt zu.
»Ja, Jule und Rika, meine Lieben, auch so spät noch unterwegs?«
Sofort beginne ich wieder, heftig mit dem Schwanz zu wedeln, denn ich habe erkannt, wen wir vor uns haben.
Jule lacht und ruft: »Karoline! Sag, was machst du denn hier draußen zu dieser späten Stunde?«
Die alte Dame wiegt den Kopf hin und her. Sie gibt sich geheimnisvoll, als ziere sie sich, den Grund ihres Hierseins zu verraten. Gleichzeitig blitzen ihre Augen vor Vergnügen. Sie kann es kaum erwarten, noch einmal gefragt zu werden.
Währenddessen schnüffele ich an der großen Tasche auf Rädern herum, die Karoline festhält, als wäre sie eine Schatzkiste und gefüllt mit den saftigsten und leckersten Würsten der Welt. Nur rieche ich leider keine. Stattdessen müffelt die fahrbare Tasche eindeutig und sehr stark nach Katze.
»Fräulein Kossmehl? Franco Rossi, erinnern Sie sich?«, ergreift Jules Begleiter das Wort und hält der alten Dame seine Hand hin.
»Können wir Ihnen helfen?«
Karolines Augen leuchten, die Aufmerksamkeit gefällt ihr.
»Ach, der nette Polizist. Wie könnte ich Sie vergessen?« Sie blinzelt unter ihrem Kopftuch hervor und klappert wie ein junges Mädchen mit den Augenlidern. Mit gesenkter Stimme, als handele es sich wirklich um ein Geheimnis, vertraut sie Jule und Franco an, dass sie wieder zwei kleine Kätzchen aufgelesen hat, im alten Lokschuppen beim Güterbahnhof.
Franco schüttelt den Kopf.
»Dort sollte eine Dame aber nachts nicht alleine unterwegs sein.«
»Herr Polizist«, Karoline stellt sich tatsächlich auf die Zehenspitzen, muss aber immer noch den Kopf in den Nacken legen, um Franco ins Gesicht sehen zu können, »was soll ich denn sonst die ganze Nacht tun? Schlafen kann ich, wenn ich tot bin, wie schon Fassbinder sagte. Die armen Kätzchen haben doch sonst niemanden. Ich rette nur die, deren Mütter verschwunden sind.«
Dabei klappt sie die Tasche auf, wir hören es maunzen, und Jule kommentiert wieder einmal: »Wie süß!«
Hoffentlich ist mein Bellen laut und deutlich genug, um weiteres Unheil abzuwenden:
Jule, wir haben schon drei Katzen!
Zum Glück bieten Franco und Jule der alten Dame nur an, sie nach Hause zu begleiten. Sie freuen sich anscheinend über eine zeitliche Verlängerung ihres Spazierganges. Ich bin erleichtert und glücklich, als wir uns von Karoline in der Turmstraße verabschieden und sie hinter ihrer Haustür verschwindet.
Mit
den Kätzchen. Die muss ich unbedingt noch genauer beschnüffeln, wenn wir morgen Karoline zum Tee besuchen.
In unserer Straße angekommen, lädt Jule Franco auf einen Kaffee ins Haus ein. Das hat sie noch nie nach einem dieser Onlinedate-Essen gemacht. Ich habe sie aber auch noch nie so glücklich gesehen wie heute. Franco sagt nichts, sondern sieht sie nur stumm an und lächelt glücklich. Die Sterne leuchten, die Luft ist weich wie Seide, es ist wirklich ein romantischer Moment. Sogar mein kleines Hundeherz hüpft, und im Schnulzenfilm würde jetzt von irgendwoher liebliche Musik erklingen.
Doch dann passiert es. Jule öffnet unsere Haustür und schreit erschrocken auf. In der Wohnung ist jemand!
Ich belle natürlich gleich los, um dem Einbrecher, Verbrecher, Mörder oder welchem Schurken auch immer Angst einzujagen. Franco stellt sich schützend vor Jule, und alle drei schauen wir ins Haus hinein. Ganz hinten, beim Sofa in der Ecke, brennt eine kleine Tischlampe. Von dort kommt eine dunkle Gestalt langsam auf uns zu.
Jule ruft verblüfft: »Mama?!«
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Kapitel 14
Carla
»Mein liebes Kind, da bist du ja endlich!«
Oh je, ich weiß, dass Jule es gar nicht leiden kann,
Kind
genannt zu werden. Immerhin ist sie schon zweiunddreißig Jahre alt und Schriftstellerin! Jule verdient mit Bücherschreiben genug Geld, um Brot, Milch und Hundefutter zu kaufen. Nur weil sie Kinderbücher schreibt und fast jeden Spaß mitmacht, ist sie doch kein Kind mehr.
Ich belle freudig, um Carla zu begrüßen. Neugierig kommen die Katzenkinder angelaufen, als wollten sie sagen:
Party? Wir sind dabei!
Die Katzenminze steht zerzaust in der Ecke, damit hatten die Kleinen also bereits Spaß.
»Mama, was machst du denn hier?« Jule ist schon wieder ganz blass vor Schreck. Sie zieht Franco mit sich ins Haus hinein, schließt die Tür, schaltet die Deckenbeleuchtung an und betrachtet ihre Mutter fragend.
Statt einer Antwort kommt eine Gegenfrage: »Willst du mir den netten jungen Mann nicht erst einmal
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