Der Leberwurst-Mörder
steckt an. Nun kann auch ich kaum erwarten, dass es losgeht. Endlich klingelt es an der Tür.
Franco steht da, mit blauer Jeans, weißem T-Shirt und schwarzer Lederjacke. Ich liebe Lederjacken! Sie riechen so gut. Er hält Jule einen großen Blumentopf mit grünen Stängeln hin und strahlt sie an. »Wow, siehst du toll aus!«
Jule strahlt ebenso zurück und fragt, mit einem Blick auf den Topf mit dem Grünzeug: »Für mich?«
»Nicht ganz.« Franco lächelt verschmitzt. »Ich dachte da eher an die kleine Rasselbande. Das ist Katzenminze. Dann lassen sie hoffentlich deine anderen Pflanzen in Ruhe.«
Jule lacht und stellt den Blumentopf auf den Boden, wo die Katzenkinder sogleich neugierig drum herum streichen. Sie rückt mein Halstuch zurecht, wirft einen kurzen Blick in den Spiegel und sieht Franco dann direkt in die Augen.
»Fertig! Die beiden Damen sind bereit, von dir ausgeführt zu werden.«
»Na, dann mal los!« Franco schnappt sich mit der linken Hand meine Leine, hält Jule seinen anderen Arm hin, damit sie sich bei ihm einhaken kann, und auf geht es.
Wir laufen ein Stückchen stadtauswärts, überqueren die Bahngleise beim ehemaligen Güterbahnhof und stehen plötzlich vor einem alten Eisenbahnwaggon. Nanu, wir werden doch jetzt nicht verreisen?
»La Statione«, liest Jule und sieht Franco verwundert an. »Hier bin ich noch nie gewesen.«
»Dann wird es ja höchste Zeit«, lacht er und hüpft die drei Stufen hinauf, um ihr die Tür aufzuhalten. »Gehört meiner Tante Maria, sie macht die weltbesten Cannelloni.«
Drinnen sieht es aus wie in einem echten Eisenbahnwaggon und doch wieder nicht. Die Bänke ähneln denen im Zug, mit dem wir zu Mara fahren. Sie sind mit so einem komischen Kunstleder bezogen, das überhaupt nicht wie Leder riecht. Doch zwischen den Bänken stehen in kleinen Nischen schmale Tische mit rot-weiß karierten Decken. Es ist voll und laut und riecht lecker nach gebratenem Fleisch.
Eine kleine dicke Frau kommt auf uns zu, breitet die Arme aus und drückt Franco an ihren dicken Busen: »Franco, mein Kleiner!«
Dem großen Polizisten scheint es überhaupt nicht peinlich zu sein, dass sie ihn so nennt. »Darf ich vorstellen? Das ist meine Tante Maria. Maria, das ist Jule. Und hier haben wir noch Rika.«
Ich bin begeistert! Franco hat mich seiner Tante vorgestellt, das heißt, er nimmt mich als ernst zu nehmendes Wesen wahr. Schwanzwedelnd sehe ich Maria an, die zunächst die überraschte Jule in ihre Arme schließt und sich dann zu mir herunterbeugt, meine Seite tätschelt und losplappert: »Gleich zwei Signorinas. Benissimo, benissimo. Franco mio, so setzt euch doch. Hungrig seht ihr aus. Da, ich habe einen tavolo per voi.« Sie zeigt auf die einzige freie Nische im Waggon.
Jule und Franco setzen sich einander gegenüber, ich lege mich zu ihren Füßen nieder. Wenig später bringt Maria eine Karaffe mit Wein für die beiden und ein Schälchen Wasser für mich. Sehr aufmerksam! Ich mag Maria.
Am Tisch über mir wird den ganzen Abend viel gelacht. Franco erzählt Jule von seinen Großeltern in Italien, vom Meer und unbeschwerten Sommerferien mit einem Dutzend Cousins und Cousinen. Und dass er schon immer Polizist werden wollte. Jule erinnert sich an lustige Geschichten aus ihrer Kindheit, welchen Blödsinn sie mit ihrem Bruder angestellt hat und warum sie jetzt Kinderbücher schreibt.
Nur die Sache mit der Beinahe-Hochzeit behält sie (noch) für sich. Jule wollte nämlich vor fünf Jahren heiraten, einen Banker mit einem Krach machenden Angeberauto, der Hunde, und damit auch mich, nicht wirklich mochte. Doch Jule war ja so verliebt! Sie hatte schon ein wunderschönes Kleid für sich und ein passendes weißes Spitzenhalstuch für mich gekauft, viele Gäste eingeladen und alles für die Feier organisiert. Nur stellte sich zwei Tage vor der Hochzeit heraus, dass ihr Bräutigam Gelder der Bank veruntreut hatte und auch sonst ein unehrlicher Mensch war. Jule wollte ihn nie wieder sehen und ist seitdem sehr vorsichtig Männern gegenüber. Ich bin froh, dass sie ihn nicht geheiratet hat, und wünsche ihr, dass sie einen Mann findet, der sie wirklich liebt und auch mich gerne hat. Wenn ich mir Franco so anschaue, könnte er vielleicht dieser Mann sein?
Doch statt zu dösen und mich solchen Zukunftsträumen hinzugeben, verfolge ich weiter das Gespräch der beiden. Zwangsläufig reden sie nach einer Weile auch über den Mord an Liane Eichenbaum. Ein wenig kleinlaut gesteht Jule
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