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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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Lucia springt auf.
    »Andrea, lass das!«
    Er schert sich nicht darum, setzt sich neben Davide, beugt sich vor, um ihm ins Gesicht zu blicken. Santojanni starrt regungslos auf die Schule und beachtet ihn nicht. Nach einer Weile langweilt sich Andrea und lässt ihn sitzen. Er kommt wieder zu uns gelaufen, steuert direkt auf Grazias Hände zu und ergreift sie.
    »Entschuldigung«, sagt er.
 
    De Lucia und ich schleppen uns hinter ihm die Treppe hinauf, während er die Stufen hochrast, weil er es nicht erwarten kann, in Klassenzimmer 9 zu kommen. In denArmen hält er das Paket mit den Temperafarben, die ich ihm soeben geschenkt habe: Er will sie ausprobieren, jetzt, sofort.
    »Renn doch nicht so«, sage ich, weniger, um eine Reaktion zu bewirken, als für mich selbst: Ich genieße die letzten Nachwirkungen eines kleinen Willens zur Macht.
    Kaum sind wir drin, reißt er das Papier der Verpackung weg und lässt alle Farbentübchen herausrollen. Er wählt die rote Tube, holt ein Blatt Papier hervor und fängt an, es bluten zu lassen.
    Ich setze mich neben ihn. Wir haben eine lange Reise hinter uns und können es noch nicht richtig fassen, dass wir jetzt nach Hause zurückkehren.
    »Ist das der Leguan?«, frage ich. Der Farbfleck hat Pfoten, einen Schwanz, einen kleinen Kopf und Stacheln, die ihn durchbohren.
    »Ein Punk-Leguan«, sagt Andrea.
    Ich zwinge mich, ihm den Kopf zu streicheln, wenn auch nur ein bisschen. Der Leguan auf dem Fensterbrett ist immer noch grün mit einer in die Höhe gehobenen Tatze mit Krallen und einem aufgerissenen Maul, das darauf wartet, etwas beißen zu können.
    »Ihm fehlen noch die Augen.«
    Mit zwei Bleistiftstrichen zieht er einen Kreis rechts und einen links von der Schnauze. Sie sind aber noch leer, ohne Farbe und ohne Leben.
    »Es stimmt«, sagt De Lucia. »Hast du die Lehrerin gehört, Andrea? Im nächsten Schuljahr müssen wir den Leguan fertig machen.«
 
    Das Getöse, das den Auszug der Klassen begleitet, erzählt von einem Jahr, das im Warten auf diesen Tag vergangen ist. Vergebens suche ich Petar in der brüllenden Meute. Geduld. Sein Recht, mich nicht mehr sehen zu müssen, ist in diesem Moment in Kraft getreten.
    Ich warte, bis die Schule sich geleert hat. Zwischen Verabschiedungen und letzten bürokratischen Erledigungen dauert es noch eine halbe Stunde, bis alles wieder still ist. Die Hausmeister beginnen mit dem Aufräumen und Reparieren, indem sie von einem Klassenzimmer zum anderen gehen. Es ist wie Saubermachen nach einem Umzug.
    Auf der Treppe des ersten Stocks sitzt Tommaso. Er hat sich zwei Finger in den Mund gesteckt und blickt auf die Fliesen des Fußbodens.
    Ich klammere mich ans Geländer und fasse mir ein Herz.
    »Verzeih uns, Tommaso«, sage ich.
    Er nimmt die Finger aus dem Mund, betrachtet sie, zuckt mit den Schultern.
    Er zeigt mir sein T-Shirt.
    »Adidas«, lese ich.
    »Mama hat es gekauft. Es gefällt mir sehr.«
    Ich halte es eigentlich nicht für notwendig, es zu sagen, dennoch habe ich das Gefühl, dass ich es sagen muss, dass ich dazu gezwungen bin.
    »Wenn du mein Sohn wärst, hätte ich das nicht geschafft.«
    Tommaso stützt das Kinn in seine Hände.
    »Du hast ja auch nicht meine Liebkosungen bekommen«, entgegnet er, bricht dann in Lachen aus. »War nur Spaß.« Er streckt die Hände nach vorne, wie um zu sagen, ich solle mich nicht ärgern.
Ich nicke.
    »Verzeihst du uns also?«
    Er sieht mich an, ernst.
    »Wie könnte ich?«
    Er hat Recht, denke ich. Verzeihen, ignorieren, vergessen, gute Miene zum bösen Spiel machen, sich anpassen, zusammenleben, Notlösungen finden – das ist bequem.
    »Musst du gehen?«
    »Nein, ich hab's nicht eilig.«
    »Dann leiste mir doch Gesellschaft.«
    Ich setze mich neben ihn auf die Stufe. Der Fußboden seiner Schule in Neapel überlagert den des Bernini mit seinen Fliesenmosaiken, ihrem geometrischen Flechtwerk.
    »Wie kriegen sie den Boden nur so genau hin?«, fragt Tommaso.
    »Ich habe keine Ahnung.«
 
    Später, als meine Schuhe mit den zu flachen Absätzen über die Flure der Schule trampeln, um nicht wiederzukehren, spüre ich, wie sich unter mir ein langer, tiefer Spalt auftut.
    Zuerst bersten die Fensterscheiben, alle im selben Moment. Dann reißt der Fußboden auf, als wäre ein Schwert direkt in die Mitte hineingetrieben und vom dritten Stock bis ganz nach unten durchgezogen worden.
    Der Riss, der das ganze Schuljahr über verborgen geblieben war und sich von einem Klassenzimmer zum anderen, von einem

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