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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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Hintern, ich schwör's dir.«
    Ich lege mich ins Bett, den Laptop auf den Knien. Gianni hat versucht, mich über Skype zu kontaktieren.
    Können wir reden?
    Nein, denke ich, und schließe das Programm.

3
    Am Montessori waren alle Türen geschlossen. Die des Sekretariats, des Direktorats, des Förderbüros. Anna ist geschickter als ich, wenn es ums Anklopfen geht, weshalb sie voranging, ich ihr folgte und es ihr überließ, mir die Dinge weniger feindselig erscheinen zu lassen.
    »Dürfen wir reinkommen?«
    Das Förderbüro war klein und finster. Tirone saß am Schreibtisch, die unendlich langen Beine übereinandergeschlagen, und schrieb mit einem Bleistift in ein Heft.
    »Signore Tirone? Wir sind die neuen Referendarinnen für das Förderprogramm.«
    Er hebt den Kopf und gibt uns die Hand.
    »Und was hat euch dazu gebracht?«
    Anna lächelt wohlerzogen.
    »Können Sie uns von Ihren Fällen erzählen?«
    Tirone bedeutet uns, auf den freien Stühlen Platz zu nehmen. Mit einem einzigen Handgriff legt er den Bleistift in das Heft und klappt es zu.
    »In diesem Jahr betreue ich lediglich Francesco. Down-Syndrom, typischer Fall, nichts Besonderes.«
    »Würde es ihn stören, wenn wir mit in die Klasse kommen würden?«
    Anna hatte ihren Notizblock herausgezogen und Francesco, D-Synd. notiert.
    »Aber nein, er ist ruhig. Umgänglich. Und sehr warmherzig, ihr werdet sehen.«
    Tirones Hemdkragen ragte zur Hälfte aus dem Pullover, die andere blieb darin verborgen. Das empfand ich als unangebracht und störend.
    »Wenn ihr euch zehn Minuten geduldet, dann gehen wir in die Klasse.«
    Abgesehen von zwei mit einem Vorhängeschloss versehenen Schränken und dem Tisch, an dem wir saßen, war der Raum völlig leer. Wie eine Verzierung zog sich ein Stockfleck von der Ecke beim Fenster bis zur Wandmitte herunter.
    »Gestattet mir noch einen kurzen Augenblick.« Er schlug das Heft wieder auf. »Wenn ich das hier unterbreche, riskiere ich, den Faden zu verlieren.«
    Schweigend schrieb er weiter, bis die Pausenglocke ertönte. Dann ließ er befriedigt den Bleistift auf dem Tisch liegen: ein Sudoku. »Wisst ihr was?«, verkündete er wie nach einer Erleuchtung. » Interessanter ist für euch möglicherweise Tommaso.«
 
    Zum zweiten Mal gehe ich in die 1A und ertappe mich dabei, wie ich bereits meine Aufenthalte dort zähle. Die Italienischkollegin sitzt am Pult. Als sie mich in der Tür erblickt, kommt sie mir entgegen.
    »Silvia«, sagt sie. Sie hat denselben schmächtigen Körperbau, dieselbe jugendliche Kurzhaarfrisur, dieselbe Art, den Mund zu verziehen wie meine Griechischlehrerin am Gymnasium. Die Schule verschlingt uns, speit uns aus, verschlingt uns von Neuem.
    »Hast du ihn schon …?«
    »Gestern.«
    Ich warte, bis sie meinen kleinen Wuchs, mein jugendliches Alter abgeschätzt hat.
    »Hast du das zweite Staatsexamen?«
    »Ja«, erwidere ich, gebe ihr einen Aufhänger, an dem wir uns beide festklammern können.
    Kurz darauf liest sie die Anwesenheitsliste vor, übergeht einige Namen oder wiederholt andere, weil sie die Antwort nicht gehört hat. Auch sie wartet.    
    Der Lärm des Rasenmähers im Garten, das Getuschel der Jungs, sogar das Dröhnen eines vorbeifahrenden Motorrads stört uns: Wir wollen nicht, dass es plötzlich über uns herfällt, wir wollen Wind davon bekommen, darauf vorbereitet sein.
    Es ist zehn Minuten nach acht.
    Draußen im Gang knallt irgendetwas gegen die Wand und schleppt sich dann zu unserer Klasse. Silvia wirft mir einen kurzen Blick zu, danach fragt sie, ob allen die Aufgabenstellung einigermaßen klar sei.
    In diesem Augenblick wird die Tür sperrangelweit aufgerissen, aber der, den ich eintreten sehe, ist Tommaso: ein dicklicher Sechzehnjähriger, dessen krause schwarzen Haare in alle Richtungen abstehen. Mit seitlich ausgestreckten Armen und rotierenden Händen rennt er zum Fenster. Ein schwachsinniges Lachen entstellt seinen Mund und kräuselt seine Augenbrauen, die nur noch ein dunkler Fleck sind. Er steht vor dem Fensterbrett, lehnt sich dagegen.
    Ich habe gerade noch Zeit, die Augen zu schließen und wieder zu öffnen, da stürmt Riccardi auch schon durch die aufgerissene Tür herein, stürzt sich mitten in die Klasse und bleibt abrupt stehen, als er mich sieht.
    »Nein!«, brüllt er, versetzt sodann der ersten Bank einen Tritt und geht zu seinem Platz, entledigt sich seines Rucksacks und seiner Jacke und beginnt, wie wild zu schaukeln. Dann schlägt er mit der Faust auf seine Bank

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