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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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ein, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
    Er will dich auf die Probe stellen , sagt Biagini. Du kannst nicht einfach tatenlos herumstehen.
    »Andrea«, schreitet Silvia ein. »Wir schreiben jetzt die Klassenarbeit. Nimm dir auch ein Blatt.«
    Nach und nach hört Riccardi auf zu schaukeln und sucht in seinem Rucksack nach dem Heft.
    »Ich schreibe die Stichpunkte an die Tafel, Silvia. Dann können alle überprüfen, ob sie Fehler gemacht haben«, sage ich sehr vernehmlich.
    Während ich den ersten Stichpunkt hinkritzele, erfinde ich sogleich einen anderen, es geht um die Beschreibung eines Klassenkameraden. Silvia gibt mir ein Zeichen: Sie hat verstanden.
    »Also, Andrea, willst du das übernehmen?«, fragt sie.
    Riccardi stößt einen wütenden Laut aus. Nein. Er packt einen Bleistift und beginnt, auf dem Blatt herumzumalen.
    Versuch, näher ranzugehen , sagt Biagini.
    »Habt ihr das alle abgeschrieben?«, frage ich.
    Keine Antwort. Ich gehe zwischen den Bänken hindurch, ein beiläufiger Spaziergang, aber Riccardi richtet sich auf seinem Stuhl auf, stößt mit dem Bleistift nach mir, durchbohrt die Luft mit vielen kleinen Stichen, wovon er nicht ablässt, obwohl ich ihm den Rücken zuwende.
    In Ordnung. Tob dich ruhig aus.
    Ohne mich umzudrehen, kehre ich zur Tafel zurück. Über kurz oder lang wird er es leid sein.
    Die Köpfe über die Bänke gebeugt, die Stifte in der Hand, schreiben die Schülerinnen und Schüler vor sich hin. Halblaut bespreche ich mit Silvia den Lehrplan des Schuljahres. In Geschichte kommen Athen und Rom dran; Lektüre wird zuerst die Ilias , dann die Odyssee sein.
    Von der anderen Seite des Klassenzimmers aus fixiert mich Riccardi weiterhin; sein rechter, starr ausgestreckter Arm stößt den Bleistift immer wieder in die Luft, durchbohrt den gesamten Raum.
 
    »Tommaso ist ein Fall wie aus dem Lehrbuch«, erklärte uns Tirone im Flur des Montessori-Lehrerseminars. »Er schaukelt, rennt durch die Gänge. Das wars. O ja, und die Italienischlehrerin wird euch erzählen, dass er schreibt. Aber bei mir hat er das noch nie getan.«
    Er schrieb. Man musste ihm helfen, den Schreibapparat zu benutzen, dann aber drückte er die Tasten und beantwortete die Fragen, die wir ihm stellten, in Großbuchstaben.
    »Wörter auf gut Glück also. Sätze ohne Sinn«, fuhr Tirone fort. »Es handelt sich um infantilen Autismus: Er spricht nicht, kommuniziert nicht, versteht nicht.«
    »Versteht nicht?«
    »Das behaupten die einen, andere behaupten das Gegenteil. Wir sind ja schließlich keine Mediziner.«
    Wir sind keine Mediziner. Wir sind keine Psychologen. Wir sind Sozialarbeiter. Verlangt nicht von uns, dass wir uns zu Wort melden. Untersteht euch nicht, das zu verlangen.
 
    Eine halbe Stunde ist vergangen: Riccardi drischt nicht mehr auf die Luft ein und schaukelt nun heftig und unablässig vor und zurück. Die Haare fallen ihm in die Stirn, streifen die Bank und ziehen eine Grenze.
    Tut mir leid, Silvia; ich versuche es ja.
    Sie versteht, schreitet ein. »Komm, Andrea. Schreib etwas.«
    Er schaukelt etwas langsamer, wirft mir einen Blick zu. Ich rühre mich nicht von der Stelle.
    »Willst du mal Lorenzo beschreiben?«
    Das Heft auf der Bank wird geöffnet.
    »Wie ist Lorenzo denn so?«, frage ich versuchsweise.
    Riccardi brüllt. Der Stift richtet sich wieder nach oben: nur ein paar Stiche, um mich mundtot zu machen.
    Ich lasse nicht locker.
    »Ist er groß? Ist er klein?«
    Riccardi betrachtet den Mitschüler. Lorenzos Ohren glühen, als er den Kopf über die Klassenarbeit beugt.
    »Lorenzo, würdest du bitte mal aufstehen?«
    Der Junge hört auf zu schreiben. Er zögert nur einen Moment, dann erhebt er sich von seinem Stuhl.
    »Und? Ist er groß? Ist er klein?«
    Riccardi schaut ihn an.
    »Groß«, sagt er, nimmt den Stift in die Hand und fängt an zu schreiben.
 
    Vor zwei Jahren streckte im Tito Livio-Gymnasium ein Schüler aus der zweiten Klasse den Kopf zur Tür heraus, stürmte wieder in die Klasse zurück und stieß einen Schrei aus: »Geschichte im Anmarsch!«, und ich war es,die eintrat, das Klassenbuch aufs Pult legte und »Guten Morgen« sagte.
    Und: »Die Bücher raus, bitte.«
    Und: »Bist du jetzt vielleicht mal zwei Minuten still, Polito? Ich sitze noch nicht einmal und habe bereits so einen Kopf.«
    Ich hatte meine Verbündeten: das Klassenbuch, die Wandtafel, De Marchi in der ersten Bank, der bis zum Ende der Stunde ganz Auge und Ohr war. Ich nahm gerade Sparta und Athen durch.
    An

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