Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
ich.
Ich habe erfahren, was heute in der Klasse passiert ist.
»Ok: Alpenduft oder Meeresfrische?«
Ich glaubte, sie würde mir den Entscheidungszwang beim Einkaufen erlassen, wenn ich anbieten würde, den Wagen zu schieben.
»Frische«, sage ich.
Margherita legt die Plastikflasche ins Wägelchen.
»Und was wollte sie?«
Wir haben beschlossen, eine außerordentliche Klassenkonferenz einzuberufen. Morgen.
Ich folge meiner Wohnungsgenossin zwischen den vollgestopften Regalen hindurch. Mit den Ellenbogen stütze ich mich auf den Griff, um mich genau wie der Weichspüler und das Waschmittel durch die Papierteller und Servietten befördern zu lassen, die momentan im Angebot sind.
»Sie hat mich informiert, dass morgen Nachmittag eine Konferenz in der Schule stattfindet.«
»An deinem freien Tag – natürlich.«
»Natürlich.«
Endlos geht es an Konserven vorbei. Verschiedene Marken, Etiketten, Büchsen enthalten dasselbe, und es ist nicht leicht, bei gleichen Preisen das bessere Produkt zu wählen. Es kommt vor, dass man zu dem greift, was man häufiger im Fernsehen gesehen hat. Es kommt schon mal vor, dass man sich irrt.
Versuch, ruhig zu bleiben.
»Eine schlechte Nachricht für dich, eine gute für mich: Nächstes Mal, wenn ich Nachtschicht habe, ist Vito nicht da.«
Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob nicht der andere Weichspüler die richtige Wahl gewesen wäre. Wie aber hätte ich das wissen sollen?
»Stell dir vor: Sie haben ihn zu einem Treffen der ehemaligen Schüler des Gymnasiums eingeladen.«
Phantastisch: Er war der Einzige, der noch ungeselliger lebte als ich. Nun bin ich wieder im Nachteil.
Margherita macht mir ein Zeichen zu warten, währendsie in zwei Regalen mit Keksen seelenruhig Preise und Inhaltsstoffe vergleicht.
»Entschuldigung.«
Der klassische unentschlossene Ehemann, der sich mit dem Einkauf herumschlägt, schleppt einen überfüllten Korb. Ich schiebe meinen Wagen zur Seite, um ihn vorbeizulassen, aber er hat es sich anders überlegt.
»Entschuldigen Sie«, wiederholt er. Plötzlich erhebt sich sein Arm vor meinen Augen, und ich habe keine Kraft mehr in den Beinen und versteife mich. Der Einkaufswagen entwischt mir, ist weg. Meine Brust schwitzt und zittert, schmerzt.
Mit einem Glas Mayonnaise in der Hand bleibt der Mann stehen, um mich anzustarren. Er ist ganz verschwommen.
»Wie geht's?«
Draußen ist die Luft frisch. Margherita hat mich an der Hand gepackt und hierher geschleppt, auf den Parkplatz.
Selber schuld, denke ich. Man soll sich eben seine Mitbewohnerinnen nicht übers Internet aussuchen.
Ich versuche, aufrecht zu stehen, mich zu bücken. Ich presse die Hand auf die Brust, ertaste die Stelle, wo es wehtut.
Margherita wartet auf eine Antwort. Unterdessen zündet sie sich aus einer plötzlichen Eingebung heraus eine Zigarette an: Es ist eine längere Geschichte.
Geflissentlich weiche ich dem Spiegel aus, während ich den Wasserhahn aufdrehe und die schwarzen Streifen der Wimperntusche wegwasche, die mir über die Wangen gelaufen sind. Auf dem Holzschränkchen drängen sich Bürsten, Cremedosen, Parfümfläschchen und Deodorants. Vom »Frühstück bei Tiffany«-Poster fixiert mich Audrey Hepburn mitleidslos. Selbst wenn sie könnte, würde sie mir nicht helfen.
Ohne anzuklopfen, kommt Margherita herein, stellt sich vor den Spiegel und fängt an, sich zu kämmen.
»Tut mir leid wegen vorhin«, sage ich zu ihr.
»Meine Arbeit besteht ja schließlich darin, Leute zu betreuen, die Szenen machen, wirres Zeug reden, anderen Leuten mit dem Tod drohen«, entgegnet sie und kämmt sich seelenruhig weiter, »was ist da schon ein hysterischer Anfall?«
Nichts. Er ist nichts.
»Federico zum Beispiel ist immer überzeugt, aufs Klo zu müssen. Und wenn du nicht sofort eines für ihn findest, lässt er die Hosen runter und pinkelt, wo er gerade steht.«
»Das hatte ich schon vorher erledigt.«
Sie lacht. Ein unbeschwertes Lachen, das ihre Augen erfasst und dort verweilt, bis ich ihr Gesellschaft leiste. Es ist alles in Ordnung. Nichts ist passiert.
Ich setze mich auf den Wannenrand, während sie sich schminkt, und noch ehe ich mich frage, warum ich ihr zuschaue, beginne ich zu erzählen. Das ist nicht normal, ich weiß. Letzte Woche wussten wir noch gar nichts voneinander. Jetzt können wir schon eine ausgewogene Einkaufsliste zusammenstellen, entscheiden, dass das Poster mit Audrey gegenüber der Badewanne hängen soll, aber Weinkrämpfe, Bekenntnisse
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