Der Leichenkeller
Schomburg, auf dem Malcolm X Boulevard, war die Forschungsstätte für afroamerikanische Kultur. »Sie hatten haufenweise Dokumente über meine Großeltern und Fotos von Schulen, Clubs und Vereinen in Harlem, auf denen auch mein Vater und einige seiner Verwandten zu sehen waren.«
»Sind Sie mit Queenie verwandt?«
»Wäre ich gerne gewesen. Ich habe versucht, Leute zu finden, die meinen Vater kannten. Meine Mutter hatte eine Menge Fotos von meinem Vater als kleiner Junge. Häufig war noch ein anderer Junge auf den Fotos, ein kleiner weißer, der angeblich sein bester Freund gewesen war. Auf der Rückseite der Fotos stand sein Name, Fabian Ransome.«
Ich dachte an das Foto von Queenie und ihrem Sohn, das wir in ihrer Wohnung gesehen hatten. Mike hatte von den Nachbarn erfahren, dass ihr Sohn mit nicht einmal zehn Jahren verstorben war.
»Ich wollte den Jungen schon immer kennen lernen, um von ihm mehr über die Kindheit meines Vaters zu erfahren. Im Schomburg fand ich Zeitungsausschnitte aus den vierziger und fünfziger Jahren, mit Fotos von McQueen Ransome. Ihr Name fiel mir ins Auge, und auf vier oder fünf der Fotos war auch Fabian zu sehen.«
»Wie haben Sie sie gefunden?«
»Indem ich alles abgeklappert habe«, sagte er. »Sie stand nicht im Telefonbuch, und es gab nicht mehr viele Leute, die sich an ihre Glanzzeiten erinnerten, aber schließlich hörte ich von der alten Dame, die für die Kids tanzte, wenn sie Besorgungen für sie erledigten.«
»Wie hat sie reagiert, als Sie bei ihr aufgekreuzt sind?«
Logan strich sich lächelnd über sein Ziegenbärtchen. »Mann, sie lebte richtig auf. Ich glaube, sie sehnte sich nach einer Familie. Sie war so glücklich, ein Bindeglied zu ihrem Sohn gefunden zu haben, dass sie mich willkommen hieß, als wäre ich ihr eigen Fleisch und Blut.«
»Erinnerte sie sich an Ihren Vater?«
»Sie hat mir die tollsten Geschichten über ihn erzählt. Dinge, die ich ohne sie nie erfahren hätte. Ich bin einmal im Monat in die Stadt gekommen. Sie legte Musik auf – niemals meine Kassetten oder Cds, nur ihre alten Schallplatten –, und ich brachte ihr ihr Lieblingsessen mit – Gumbo, Reis und Bohnen, Affenbrotbaumfrucht und Zitronenkuchen. Wir redeten stundenlang, dann machte sie das Essen warm, und wir konversierten, wie sie es nannte, beim Essen ewig weiter.«
»Haben Sie Ihre Arbeit geschrieben? Ihre Familiengeschichte?«, fragte Mike. »Können wir eine Kopie davon haben?«
»Die Arbeit über meinen Vater? Ich hab sie nie abgeschlossen. Queenie hat mich auf ein anderes Thema gebracht.«
»Und das wäre?«
Logan sah Mike an. »Ich habe mich verliebt.«
»In wen?«
»In sie, Mann.« Logan lehnte sich zurück und schlug sich auf die Knie. »Ich habe sie überredet, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Eine oral history für das Schomburg, und dann könnte ich Material daraus für meine Doktorarbeit benutzen. Nicht ihre privaten Sachen, sondern Dinge, die sich auf meine Familie bezogen.«
»Warum? Was gefiel Ihnen an ihr?«, fragte Mike. Ich dachte an die Kostüm- und Aktfotos in Queenie Ransomes Schlafzimmer.
»Queenie? Die Dame hatte vielleicht ein Leben.« Logan wurde immer lebhafter, während er uns erzählte, was er über ihre Kindheit in Alabama wusste, und wie sie von zu Hause weggelaufen und nach New York gekommen war, um Tänzerin zu werden.
»Ein seriöser Bühnenstar?«, fragte Mike.
»Das war ihr Traum. Aber so weit kam sie nicht, Detective. Es gab in den vierziger Jahren am Broadway nicht gerade viele Rollen für farbige Mädchen.«
»Aber sie kannte Josephine Baker.«
»Sie haben die Bilder in ihrer Wohnung gesehen? Ich habe noch nie eine so schöne Frau gesehen. Jemand hat die Baker auf sie aufmerksam gemacht, gleich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Josephine inszenierte ein Revival von Chocolate Dandies , der Revue, mit der sie in den zwanziger Jahren berühmt geworden war. Sie kam zum Casting nach New York. Queenie bewarb sich für die Tanztruppe, aber sie hatte echte Starqualitäten. Sie schaffte es gleich bis in die vorderste Reihe.«
Mike dachte an die Fotos, die wir gesehen hatten. »Ist sie während des Krieges vor den Truppen aufgetreten?«
»Ja. Zuerst folgte sie Josephine Baker überallhin, bis sie sich dann etwas später auf eigene Füße stellte. Sie wissen, dass de Gaulle den beiden den Orden der Ehrenlegion verliehen hat?«
»Nein. Erzählen Sie uns bitte davon.«
»Ich habe alles auf Band, alle Geschichten, die sie mir
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