Der Leichenkeller
Anoraks über den Kopf gezogen.«
»Das kommt mir bekannt vor.«
»Sie hat den Kerl nicht kommen hören. Er packte sie in der Eingangshalle ihres Hauses.«
»Er ist mit ihr ins Haus?«
»Ja. Er drückte ihr etwas Spitzes und Scharfes in den Rücken. Sie glaubt, dass es ein Teppichmesser war. Er befahl ihr, unter die Treppe zu gehen und den Mund zu halten, oder er würde ihr die Kehle aufschlitzen.«
»Hoffentlich hat sie seine Anweisungen befolgt«, sagte ich leise. Ich hatte an zu vielen Autopsien von Opfern teilgenommen, die sich erfolglos gegen einen bewaffneten Angreifer zur Wehr gesetzt hatten.
»Das hat sie. Sie zog sich aus und legte sich auf den Boden. Als er gerade in sie eindringen wollte, fiel ihm eine Injektionsspritze aus der Jackentasche. Sie flippte aus und fing an zu schreien.«
»AIDS?«
»Das war ihr erster Gedanke. Sie fragte mich im Krankenhaus unter Tränen, welchen Sinn es hätte, die Vergewaltigung zu überleben, wenn sie sich dabei eine tödliche Krankheit zuzog?«
»Also hat er sie verprügelt, damit sie ruhig war.«
»Er hat ihr einige Gesichtsknochen gebrochen und einen Zahn ausgeschlagen.«
»Und sie auch noch vergewaltigt?«, fragte ich.
Christine nickte.
»Hat man ihr das Prophylaktikum zur Vermeidung einer HIV-Übertragung angeboten?« Es gab neue Medikamente, die nach Meinung der Ärzte das Virus hemmten, aber sie mussten innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden nach der Vergewaltigung eingenommen werden.
»Ja. Sie wird wahrscheinlich heute Vormittag damit anfangen.«
»Was hat er gestohlen?«
»Ihren Aktenkoffer.«
»Hat sie OP-Kleidung getragen?«
»Ja. Er hat gedacht, dass sie Ärztin sei. Er fragte sie pausenlos, ob sie irgendwelche Medikamente oder Blankorezepte dabei hätte.«
»Und?«
»Nein. Nur einen Stapel Fachbücher, einen Geldbeutel und ein Handy.«
Ich sah zu Christine auf. »Haben Sie das Handy schon orten lassen?«
»Ich habe noch gar nichts gemacht. Ich komme gerade erst vom Roosevelt Hospital und wollte Sie über die Details unterrichten.«
»Wissen Sie, wie das geht?«
»Nein«, sagte sie zögerlich. »Wie macht man das?«
»Es ist ein triangulierter Anruf. Es funktioniert wie GPS, Global Positioning Satellites. Falls der Täter mit dem gestohlenen Handy telefoniert, kann uns die Mobilfunkfirma genau sagen, wo er sich während des Telefonats aufhält. Bloß ein Versuch. Man muss es machen, bevor der Akku leer ist und er das Telefon wegwirft.«
Die meisten Diebe, die ihrem Opfer das Handy klauten, benutzten es, bis der Akku leer war. Früher hatte es oft Wochen oder Monate gedauert, bis wir die Anrufe des Täters von dem gestohlenen Telefon zurückverfolgen konnten. Heutzutage konnten wir mit Hilfe der neuen Technologie womöglich den Vergewaltiger finden, bevor er erneut zuschlug.
»Sie müssen TARU anrufen«, sagte ich. TARU war die Hightech-Einheit der New Yorker Polizei, die für Lauschangriffe und elektronische Überwachungen jeglicher Art zuständig war. »Setzen Sie einen Gerichtsbeschluss auf, und die Abteilung wird innerhalb einer Stunde Ortungsvorrichtungen eingerichtet haben.«
Ich konnte den Rauch von Battaglias Zigarre riechen, noch ehe der Bezirksstaatsanwalt um die Ecke bog. Ich schickte Christine an die Arbeit und bot ihm einen Stuhl an.
»Lassen Sie mich raten«, sagte ich. »Richter Moffett hat Sie angerufen. Sie sollen mich davon überzeugen, Trippings Schuldgeständnis für das geringfügigere Delikt ohne Einspruch oder weitere Nachfragen zu akzeptieren.«
»Können Sie mir auch sagen, wie die Yankees am Wochenende gegen die Red Sox spielen werden?«
»Dafür brauchte es wohl kaum hellseherische Fähigkeiten, Paul.«
»Legen Sie diese Sache ad acta, Alex. Sie haben wichtigere Fälle. Aber da ich schon mal hier bin – können Sie einem Freund von mir einen Rat geben?«
»Sicher.«
»Was würden Sie mit einer Mitarbeiterin machen – allein erziehende Mutter, Juraabschluss, Abteilungsleiterin –, die auf eine Dienstreise geht und damit in einem Hochglanzfrauenmagazin unter der Überschrift ›Romanze im Expresszug‹ porträtiert wird.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie hat dem Magazin tatsächlich ein Foto von sich gegeben und beschreibt in dem Artikel, wie sie den Typen auf dem Rückweg von Albany im Zug kennen lernt, ein paar Drinks mit ihm hat und dann auf einen One-Night-Stand mit in seine Wohnung geht.«
»Hat sie zugegeben, dienstlich unterwegs gewesen zu sein? Wenn ja, würde ich sie entlassen. In meiner
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