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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. Es war kurz vor vier. Er sah Gudrun an, dass auch sie gegen die Müdigkeit anzukämpfen hatte. Er selbst spürte die Erschöpfung in allen Gliedern.
    »Wir machen Schluss für heute«, sagte er, stand auf und streckte sich. Gudrun schaltete das Aufnahmegerät aus. Die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen.
    Axel, der regungslos vor sich hin starrte, hatte offenbar jede Lust verloren, auch nur noch ein einziges Wort zu sagen.
    Als Gudrun bei der Zentrale anrief, um zwei Beamte anzufordern, die Axel zu seinem Schlafplatz bringen würden, zuckte dieser plötzlich zusammen und blickte Roffe ängstlich an.
    »Es versteht sich doch von selbst, dass einiges, was ich gesagt habe, unbedingt geheim bleiben muss.«
    »Was meinst du?«
    »Das, was ich über den Kreis berichtet habe. Davon darf nichts an die Öffentlichkeit dringen, ich meine, bei einer Gerichtsverhandlung. Ihr müsst mich schützen.«
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    »Darüber können wir uns später noch unterhalten«, sagte Roffe ausweichend.
    Doch Axel wollte sich nicht abwimmeln lassen.
    »Über den Kreis hätte ich nie etwas sagen dürfen, aber ich war so geschockt und verwirrt, dass alles einfach aus mir herausbrach.
    So was kann sich bitter rächen … nicht dass ich so viel wüsste
    … aber von den Mitgliedern des Kreises wird absolutes Stillschweigen verlangt. Ich werde mich niemals sicher fühlen können. Du weißt ja nicht, wie viel Macht sie haben … sogar in den Gefängnissen … wenn sie wollen, kriegen sie dich überall.«
    In seinem Eifer hatte er Roffes Jackettärmel gepackt. »Du musst mir versprechen, dass ich geschützt werde …«
    Roffe löste behutsam Axels Griff. »Aber natürlich wirst du geschützt, und du sagst doch selbst, dass du nicht viel über den Kreis erzählen kannst. Außerdem haben wir Enqvist und seine beiden Gorillas geschnappt.«
    »Aber du fährst doch morgen nach Christiansholm zurück.
    Wie kann ich sicher sein, dass die Beamten hier wissen, wie sensibel dieser Fall ist? Ich werde beantragen, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.«
    »Das kannst du gern tun, aber vermutlich wird dein Antrag abgelehnt werden, und das aus gutem Grund. Überleg doch mal: Wenn der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, wird der Kreis sich umso mehr fragen, was du hinter geschlossenen Türen so alles ausplauderst.«
    Axel, dem die Stichhaltigkeit dieses Arguments einleuchtete, erbleichte. Als er zu einer Erwiderung ansetzen wollte, betraten zwei Beamte den Raum, um ihn abzuholen.
    Als Gudrun mit Roffe im Aufzug stand, fragte sie ihn: »Wo schläfst du heute Nacht?«
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    »In Bromma. Anita hat mir versprochen, das Gästezimmer für mich bereitzuhalten, aber sie konnte natürlich nicht ahnen, dass ich um fünf Uhr morgens nach Hause kommen würde. Als wir noch verheiratet waren, hat sie solche Überraschungen gehasst.
    Ich werde sie also daran erinnern, was ihr mittlerweile entgeht.
    Was hält Åke davon, wenn du um diese Zeit nach Hause kommst?«
    »Ach, der glaubt bestimmt, ich hätte an einer Sexorgie teilgenommen. Er ist krankhaft eifersüchtig.«
    »Wie hältst du das nur aus?«
    »Am nächsten Tag bereut er sein Verhalten immer und entschuldigt sich dafür. Wenn du nach Bromma willst, können wir zusammen ein Taxi nehmen. Wir lassen dich dann unterwegs raus.«
    Draußen begann es zu dämmern.
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    Montag, 22. Mai
    Katharina lag im Bett und betrachtete nachdenklich das Profil ihres schlafendes Ehemanns. Die lästige Fliege, die sie geweckt hatte, umschwirrte inzwischen Patriks Gesicht. Summend ließ sie sich auf seiner Nase nieder und wurde im nächsten Moment von einer irritierten Grimasse verscheucht. Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis auch er aufwachte.
    Ein goldener Sonnenstrahl drang durch den Vorhangspalt und durchschnitt wie eine winzige Milchstraße, in der Millionen von Staubpartikeln tanzten, das weiche Dunkel des Raumes.
    Sie streckte sich wohlig und zog träge die Möglichkeit in Erwägung, das Bett zu verlassen. Nicht dass sie etwas vorhätte.
    Sie hätte ebenso gut wieder einschlafen können. Sie sah drei Wochen entgegen, in denen sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Na ja, im Großen und Ganzen zumindest. Für Mittwoch hatten Marika und Daniel ihren Besuch angekündigt, und obwohl sie sich unbändig darauf freute, erforderte er doch gewisse Vorbereitungen, angefangen beim Aufräumen bis zum Einkaufen der Zutaten für

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