Der leiseste Verdacht
reichen Seelenleben entspringen.«
»Nicht alle. Hin und wieder habe ich auch bei dir interessante Gedanken und Gefühle festgestellt.«
»Ach wirklich?«
»Aber meine eigene Reaktion auf Axels Verhalten verblüfft mich. Als ich noch glaubte, er habe mich nur um mein Geld betrogen, war ich rasend vor Wut und hätte alles darum gegeben, ihn zu erwischen. Doch seit ich weiß, dass er mir mit zynischem Kalkül zwei Morde in die Schuhe schieben wollte und eine Frau kaltblütig getötet hat, empfinde ich eine lähmende Ratlosigkeit und sogar etwas Mitleid.«
»Das ist doch ganz natürlich«, entgegnete Katharina. »Er ist überführt und muss jetzt die bitteren Konsequenzen tragen. Du bist rehabilitiert, deine Integrität ist feierlich wiederhergestellt, und vermutlich bekommst du sogar dein Geld. Da kannst du dir deine edlen Gefühle natürlich auch leisten. Ist dir eigentlich nie in den Sinn gekommen, dass er deine tiefe Verachtung gespürt hat?«
»Meine tiefe Verachtung?«
»Herrgott, du bist aber wirklich naiv! Mir, aber auch anderen gegenüber hast du nie einen Hehl aus deiner Geringschätzung gemacht, deren Ursprung wohl in Schulzeiten lag. Ich kann das verstehen, ich konnte ihn auch nie leiden, aber du hast dir auch nie Mühe gegeben, deine Antipathien gegen ihn zu verbergen.
Hast ihm gegenüber immer eine arrogante Attitüde
eingenommen, als könne er sich glücklich schätzen, dir helfen 396
zu dürfen. Vielleicht sollte man mit niemandem, den man verachtet, eine so enge Verbindung eingehen.«
»Willst du mir etwa sagen, dass ich selbst schuld bin?«
»Ist nicht alles, was uns widerfährt, in gewissem Sinne eine Folge unseres eigenen Verhaltens?«
»Vermutlich. Doch was mich am meisten wundert, ist, dass du schon an dem Tag, an dem die Leiche auf Knigarp gefunden wurde, von bösen Ahnungen erfüllt warst.«
»Jetzt übertreibst du aber.«
»Du hast es vor ein paar Wochen selbst gesagt.«
»Hab ich das? Vor ein paar Wochen habe ich so vieles gesagt.
Aber ich gebe zu, dass ich irgendwie ein mulmiges Gefühl hatte.«
»Und was sagt dir dein Gefühl jetzt?«
»Jetzt ist doch alles vorbei.«
»Meinst du? Ein Mord ist immer noch unaufgeklärt, sogar zwei Morde, wenn man den Eber mit hinzuzählt. Bis jetzt ist jedenfalls nicht geklärt worden, warum ihn jemand ins Jenseits befördert hat.«
»Meinetwegen, aber uns können sie da nicht reinziehen.
Außerdem zweifelt ja wohl niemand daran, dass Marco den Eber auf dem Gewissen hat. Und was die Leiche in der Jauchegrube betrifft, hast du doch selbst gehört, was Roffe neulich gesagt hat. Dieser Fall wird wohl unaufgeklärt bleiben.
Er und Wagnhärad neigen immer mehr zu der Auffassung, dass Nisse Recht hatte. Es war der arme Pole, den er gefunden hat.
Alter und Größe kommen jedenfalls hin. Allerdings können sie nicht das Geringste beweisen, also bleibt Sandström auf freiem Fuß.«
»Was denkst du jetzt über Nygren?«
»Der tut mir aufrichtig Leid. Er hat ja auch wirklich Pech gehabt. Zuerst der Leichenfund und dann die Sache mit Marco.
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Ich habe ihn vor ein paar Tagen getroffen, er sah ziemlich niedergeschlagen aus.«
»Dabei ist Nygren der letzte Mensch, den ich mir
niedergeschlagen vorstellen kann. Hat er was gesagt?«
»Nein, warum hätte er das tun sollen? Von meinem Vorfall mit Marco weiß er wahrscheinlich nichts, und vermutlich geht er davon aus, dass niemand hier in der Gegend etwas von Marcos kriminellen Tätigkeiten in Mjölby ahnt.«
»Nisse weiß seit seinem Verhör Bescheid.«
»Nygren wird ihn zu absolutem Stillschweigen verdonnert haben. Würde mich aber trotzdem nicht wundern, wenn schon ganz Äsperöd über die Sache spricht. Das muss für Nisse ein persönlicher Triumph gewesen sein, als die Polizei zu ihm kam, um Informationen über Marco einzuholen.«
»Wenn er jetzt auch noch erfährt, dass die Polizei ebenfalls davon ausgeht, dass es der Pole war, der in der Grube gelandet ist, wird er vor Freude überschnappen. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass Roffe kein Wort mehr über Nygren verliert?
Sobald man auf ihn zu sprechen kommt, wechselt er das Thema.«
»Vielleicht bereut er, dass er uns damals ins Vertrauen gezogen hat. So was sollte einem erfahrenen Polizisten eigentlich nicht passieren. Aber jetzt ist es nun mal passiert, und ich habe viel darüber nachgedacht. Willst du hören, worauf ich gekommen bin?«
»Aber klar.«
»Roffe sagte doch damals, dass er um nähere Informationen ersuchen wollte. Und ich
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