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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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sich der kurvige Schotterweg zu einer Art Parkbucht, vermutlich um entgegenkommende Fahrzeuge passieren lassen zu können. Er bat Bergh, dort anzuhalten und den Motor abzustellen.
    »Was meinst du?«, fragte er, während er das markante Profil seines Kollegen betrachtete.
    »Der Kaffee war gut, aber ich habe das Gefühl, dass er uns in Bezug auf die letzte Stockholm-Reise nicht ganz die Wahrheit gesagt hat.«
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    Wagnhärad nickte. »Das Gefühl habe ich auch. Ich muss eine Weile nachdenken.«
    Bergh schob seinen Sitz zurück und kippte die Rückenlehne nach hinten, dann verschränkte er die Arme und schloss die Augen.
    Wagnhärad lachte. »In Ordnung. Ich wecke dich auf, wenn ich fertig nachgedacht habe.«
    »Nur keine Eile.«
    Wagnhärad fuhr die Scheibe herunter und ließ seinen Blick über den dichten Laubwald schweifen, der zur Rechten des Weges lag. Auf der anderen Seite breiteten sich einsame Weiden aus, von Unkraut überwuchert und von einem rostigen Stacheldrahtzaun umgeben. Jenseits der Weiden befand sich, einer dunklen Wand gleich, eine Schonung mit jungen Fichten, die der Abholzung bisher entgangen waren. Ansonsten machte das gesamte Land, das zu Knigarp gehörte, einen öden und verbrauchten Eindruck. Er senkte den Blick und stieß einen tiefen Seufzer aus. Wusste nicht recht, wie er mit den Ermittlungen fortfahren sollte, und wollte dieser Unsicherheit auf den Grund gehen. Der Fall war äußerst heikel, und er wollte unter allen Umständen Fehler vermeiden.
    Rolf Stenberg schien aufrichtig davon überzeugt zu sein, dass sein Freund, der Maler, eine reine Weste hatte; anderenfalls hätte er sicher den gesamten Fall abgegeben und nicht nur die Ermittlungen gegen Patrik Andersson auf ihn übertragen. Er hatte darüber kein Wort verloren, doch wenn man genau hinhörte, war es ein Leichtes, Stenbergs Dilemma zu begreifen.
    Als Leiter der Ermittlungen und alter Freund von Andersson befand er sich gelinde gesagt in einer unangenehmen Lage. Als Polizist war er dazu verpflichtet, gründlich und objektiv zu ermitteln, aber natürlich scheute er alle Maßnahmen, die seinen Freund zusätzlich unter Druck setzten. Diesen schwierigen Drahtseilakt delegierte er lieber an einen seiner Kollegen.
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    Wagnhärad war sich der Schwierigkeiten, die ihm bevorstanden, wohl bewusst. Andere Personen nach ihrer Meinung zu Patrik Andersson zu befragen, konnte den Eindruck bestärken, dass dieser verdächtigt werde. Ein solches Verhalten konnte ihm als Schikane oder zumindest als Übereifer ausgelegt werden. Vor allem dann, wenn sich Anderssons Unschuld erweisen sollte.
    Doch wie konnte er eine besondere Vorsicht bei den Ermittlungen rechtfertigen, falls Andersson schuldig war? Und würde er sich nicht gerade des Verdachts der nachlässigen Recherche aussetzen, wenn der Fall unaufgeklärt bliebe? In diesem Fall würde er wohl eine ganze Reihe von Vorwürfen auf sich ziehen, die seinen beruflichen Aufstieg gefährdeten.
    Wenn er von Stenbergs Freundschaft mit dem Maler einmal absah und sich vorurteilsfrei die Lage vergegenwärtigte, wie würde er diesen Andersson dann einschätzen? Es war nicht zu leugnen, dass er ihn für äußerst dubios und verdächtig halten würde.
    Bei der Leiche konnte es sich um Hemberg oder um eine andere Person handeln. Als Mörder kam Andersson ebenso in Frage wie viele andere. Es gab also nicht zwei, sondern vier Möglichkeiten. Er kam zu dem Schluss, dass er die Leute auf Knigarp sowohl zu Axel Hemberg als auch zu Patrik Andersson und in diesem Zusammenhang wohl auch zu Marianne Wester befragen sollte. Er durfte einfach nicht riskieren, dass ihm wichtige Informationen durch die Lappen gingen, nur weil er einen Verdächtigen mit Samthandschuhen anfasste. Da nahm er schon lieber eine Rüge wegen unnötiger Ermittlungen in Kauf.
    Er drehte den Kopf und stellte fest, dass Bergh wirklich eingeschlafen war. Dieser Mann war in vieler Hinsicht bemerkenswert. Nicht zuletzt aufgrund seiner Fähigkeit, in jeder Situation ein Nickerchen machen zu können, hatte er bei der Polizei in Christiansholm Berühmtheit erlangt. Wagnhärad schüttelte ihn leicht an der Schulter, worauf Bergh sofort zu sich 146
    kam und schon nach wenigen Sekunden bereit war, den Zündschlüssel herumzudrehen.
    »Wir fangen mit Nygren an. Fahr am besten bis zum
    Wohngebäude, das sehen wir uns zuerst an.«
    Als sie am Ende der Lindenallee anhielten, entdeckten sie in einiger Entfernung Nygren, der einen wild kläffenden Dobermann zu einem

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