Der letzte Aufstand
erste Zigarette. Doch mit dem Gedanken an die Glimmstängel kam auch die Erinnerung, dass er keine dabei hatte. Dann wenigstens ein Kaffee, sagte er zu sich selbst.
Er ging zur Tür, wollte sie öffnen, doch sie war abgeschlossen, was ihn daran erinnerte, dass er trotz der guten Behandlung, trotz der magischen Landschaft, trotz der friedlichen Kinder und ihrer Drachen, ein Gefangener war; gegen seinen Willen in eine andere Welt gebracht.
Er klopfte laut mit der Faust an die Tür. Dann wartete er und seine Gedanken wanderten zu Livia. War sie schon wach? Hatte sie Schmerzen? Ging es ihr schon besser? Konnten die Ärzte hier ihr wirklich helfen oder musste er alles daran setzen, dass sie heute mit ihm wieder zurück in die eigene Welt reisen durfte, damit sie dort von den Ärzten in einem New Yorker Spital behandelt werden konnte?
Er hörte Schritte. Ein Augenblick später wurde die Tür aufgeschlossen. Pete hatte instinktiv Henk erwartet, doch es trat eine Frau in den Raum, die er noch nie gesehen hatte. Sie war vielleicht knappe dreissig Jahre alt, trug ein hübsches hellgrünes Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte und hatte blonde Locken auf dem Kopf.
„Wo ist Henk?“, fragte Pete.
„Der Meister ist bei deinen Leuten auf der Welt der Theken. Ich bin jetzt für dich und dein Wohl verantwortlich. Hast du gut geschlafen?“
„Sehr gut, danke. Kann ich heute Liv besuchen?“
„Liv?“, fragte die Frau und zog ihre Augenbrauen hoch.
„Meine Freundin. Sie wurde von Henks Männern verletzt und hierher gebracht. Ich mache mir Sorgen um sie. Kann ich sie heute sehen?“
„Sie heisst Liv, das wusste ich nicht. Ich war vorher bei ihr, aber sie schläft tief. Es ist besser wir stören sie nicht, damit sie sich wirklich erholen kann. Sie wurde vom Vard herausgefordert, das ist für einen Körper sehr anstrengend, deshalb braucht sie jetzt ihren Schlaf. Aber ich bin sicher, du kannst sie morgen sehen.“
Pete blickte zu Boden. Was die junge Frau sagte machte Sinn, aber er wollte Liv sehen, nicht mit ihr schwatzen oder ihr sonst wie Kräfte rauben, sie nur sehen, damit er innerlich Ruhe hatte. Dieser Ort und die Leute hier waren zwar vertrauenserweckend, aber Gewissheit, dass Liv auf dem Weg zur Besserung war, würde er erst haben, wenn er sie selbst gesehen hatte. Schlussendlich hatten all diese Leute hier ihm wenig Grund geboten ihnen wirklich zu vertrauen, auch wenn er anständig behandelt worden war. Tatsache blieb, sie hatten ihn entführt und hatten Liv verletzt.
„Ich möchte sie trotzdem jetzt kurz sehen, nur einen Blick in ihr Zimmer werfen, damit ich beruhigt bin.“
Die Frau strich sich ihre blonden Locken aus dem Gesicht.
„Vielleicht heute Abend, aber jetzt auf keinen Fall. Wir haben einen Auftrag für dich, den du zuerst ausführen solltest, solange du noch frisch und ausgeruht bist.“
„Einen Auftrag?“
„Wir brauchen mehr Informationen über die Organisation, die den Terror bekämpft.“
„Aber ich habe Henk doch schon alles gesagt, was ich weiss. Die ganze Sache wird bei uns streng geheim behandelt, ich habe nur durch viel Aufwand überhaupt irgend etwas herausfinden können.“
Die Frau blickte Pete an, dann drehte sie sich um und machte einen Schritt in den Flur hinaus. „Folge mir ...“
Sie ging voraus. Pete blieb einen Moment lang stehen, dann ging er ihr nach. Sein Augen tasteten von hinten ihre Silhouette ab. Sie hatte eine grossartige Figur und bei genauerem Hinsehen sah er den Abdruck ihrer Unterwäsche unter dem Kleid. Pete wäre nie Journalist geworden, wenn er nicht einen gewissen voyeuristischen Zug gehabt hätte. Er freute sich über Dinge, die bewundernswert waren, und für ihn war eine attraktive Frau etwas Bewundernswertes. Erst recht, wenn man die Konturen ihrer Figur studieren konnte.
Als merke sie, dass sie angestarrt wurde, hielt sie im Gehen inne und wartete bis Pete auf ihrer Höhe war.
„Ich bin übrigens Inna.“
Sie streckte ihm die Hand hin. Pete gab ihr die Hand und war erstaunt, wie sanft und warm sich ihre Haut anfühlte. Alles in dieser Welt war anmutig, die Landschaft, die Gebäude, die Einrichtung, selbst das Händeschütteln und die Haut einer Frau, die nicht viel jünger als er selbst sein konnte.
Pete war siebenunddreissig, fühlte sich aber wie fünfundzwanzig; wohl eine Folge seines Berufes, der ihn vor dem Einrosten bewahrte. Das war einer der positiven Aspekte der Arbeit in einem grossen Nachrichten-Unternehmen: man musste flexibel
Weitere Kostenlose Bücher