Der letzte Aufstand
hier alles, aber es hätte nichts gebracht. Diese Welt - so vermutete er immer mehr - war der eigenen schlicht und einfach voraus. Wieso auch immer.
Er wandte sich dem Tuch zu. Unglaublich, sagte er laut zu sich selbst, dann sprang er.
☸
New York, 6 Tage nach „Tag X“
Er landete unter einem Baum im Central Park. Gott sei Dank nieselte es, so war kaum jemand unterwegs. Niemand, der komisch schaute, weil er gleichsam aus dem Nichts auftauchte.
Pete joggte zur nächsten U-Bahn-Station. Er hatte keine Zeit zu verlieren und zudem konnte er nicht recht glauben, dass er in der Zukunft gelandet war. Fünf Minuten später kaufte er an einem Kiosk eine Zeitung. Unglaublich, wiederholte er das letzte Wort, welches er in der fremden Welt vor dem Sprung noch gesprochen hatte. Er war tatsächlich in der Zukunft, genau sieben Monate in der Zukunft, auf den Tag genau. Unglaublich.
Er stieg in die U-Bahn in Richtung der LTG Studios, dort würde er am ehesten etwas herausfinden können. Es war Feierabendverkehr, auch in der U-Bahn. Pete konnte sich nur durch seine kantigen Ellbogen einen Stehplatz ergattern, doch bis zum Studio waren es nur vier Haltestellen. Er stieg an der Haltestelle 36 Street Station aus und ging die vier Minuten bis zu den Studios zu Fuss.
Obwohl ihm nichts unbekannt vorkam und die Zukunft seiner Gegenwart absolut ähnlich sah, war Pete doch irgendwie froh, dass die Studios immer noch mit LTG angeschrieben waren und von aussen so aussahen, wie er sie vorgestern zurück gelassen hatte.
Larry, der Portier, der sowohl für die Eingangskontrollen verantwortlich war, wie auch dafür mit jedem Mitarbeiter ein kurzes Schwätzchen abzuhalten, sass über die Tastatur gebeugt in seinem Reich, welches vor Monitoren und Telefonen nur so triefte. Als er die Gleittür aufgehen hörte, blickt er auf.
„Pete?“, sagte er, als sehe er ein Gespenst.
„Hi Larry, alles klar?“, sagte Pete.
„Mann, wir dachten schon du seist tot, Opfer eines Anschlags oder so! Wo warst du, alter Freund?“
Larry nannte alle Männer alter Freund und alle Damen schlicht und einfach Love . Mit seinem breiten Londoner Akzent verziehen ihm diese Marotte alle Mitarbeiter von LTG und man interpretierte es als Zeichen von Heimweh.
„Lange Geschichte ...“
„Und Liv, alter Freund, geht‘s ihr auch gut?“
„Ich hoffe es, Larry, ich hoffe es ... Ist John noch hier?“
John war Petes Vorgesetzter, der CEO der LTG.
Larry schüttelte den Kopf.
„Nein, der ist mit deinem Stellvertreter auf einer Geschäftsreise.“
„Mit meinem Stellvertreter?“
„The show must go on, alter Freund. Der Chef hat nach zwei Wochen einen Neuen einstellen müssen. Ohne dich flogen hier die Fetzen, kann ich dir sagen!“
„Ich wurde gefeuert?“
„Wie soll man jemanden feuern, der nicht da ist? Nein, offiziell arbeitest du immer noch für LTG, aber die Details verhandelst du am besten mit Megan.“
„Ist sie noch im Haus?“
„Auch auf Geschäftsreise ...“
Pete nickte. „Ich geh mal hoch ...“
„Tu das, alter Freund!“
Als Pete zwei Stockwerke höher in sein Büro trat, verstand er was Larry gesagt hatte. All seine Dinge waren fein säuberlich in eine Kartonschachtel gepackt worden, welche jetzt an der Wand stand und Staub sammelte. Auf dem Schreibtisch stand nicht mehr das Foto von Livia, sondern ein Foto einer aufgetakelten Lady, die strenger nicht in die Linse hätte starren können. Herzlich unvorteilhaft, dachte Pete.
Der Mac auf dem Schreibtisch war auf Standby, wie immer. Pete setzte sich und bewegte die Maus, worauf das Teil zu summen begann und den Bildschirm aktivierte.
War es noch sein Büro, oder nicht? Durfte er den Mac benutzen? Instinktiv scannten seine Augen die Umgebung. Es war praktisch niemand mehr auf der Abteilung. Egal, sagte Pete sich, das war immer noch sein Büro; er wischte die kurze Verunsicherung vom Tisch. Dann legte er los, es gab keine Zeit zu verlieren. Der Mac hatte keinen Passwortschutz, das war von der Geschäftsleitung verboten worden. Zum Glück.
„Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Das ist ein Geschäft und eure privaten Dinge könnt ihr zu Hause erledigen. Nichts Privates auf den Geschäftscomputern, keine Passworte! Verstanden?“
Das stand auf einem Plakat, welches im Lift hing, und es erinnerte die Mitarbeiter daran, dass sie während der Geschäftszeiten nichts auf Facebook und dergleichen verloren hatten,
Pete öffnete das Browserfenster, klickte auf das Youtube-Icon
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