Der letzte Aufstand
und anpassungsfähig bleiben. Beides Dinge, die einen jung hielten.
Inna führte ihn eine Treppe hinab, durch einen grossen Raum, wo sicher dreissig Jugendliche an hängenden Tischen sassen und am Zeichnen waren und schliesslich ins Freie. Dann an einem kleinen Weiher vorbei, der von Weiden mit tief hängenden Ästen umrundet war. Pete fühlte sich wie in einem Märchenland und wieder fiel ihm die frische energiespendende Luft auf, die seine Lungen freudvoll aufnahmen. Und wieder ertappte er sich bei einem Gedanken, der nicht von ihm selbst zu stammen schien, aber spontan Sinn machte: freudvolle Lungen ... waren das Nachwirkungen der Blätter unter seinem Kissen? Doch egal, wie sehr er sich selbst fremd vorkam, die Wahrnehmung blieb. Seine Lungen hatten Freude an der Luft, er konnte es nicht anders benennen.
Schlussendlich führte Inna ihn in einen Hinterhof des Palasts, welchen sie durch ein schwarzes Tor aus Stahl betraten. In der Mitte des Hofes war ein Tuch an vier kurzen Pfosten aufgespannt. Es war blau. Pete erkannte es sofort. Es war, was Henk als Sprungtuch bezeichnet hatte. Inna setzte sich auf einen der Pfosten und drehte sich Pete zu.
„Die Zeit ist ein Rätsel, Theke. Obwohl wir in ihr herumspringen können, hat sie ihre eigenen Gesetze, welche sich nicht ändern lassen. Wir werden dich in der Zeit vorwärts schicken ... - nur einige Monate, mach dir keine Sorgen - und zwar in eine Zeit, wo eure Terrorbekämpfung aktiv ist und der Plan eures Leiters umgesetzt worden ist. Dort kannst du am besten herausfinden, was mit den Terroristen getan wird.“
Pete rümpfte die Nase. Er konnte nicht verheimlichen, dass er die Idee nicht sehr gut fand; seine Körpersprache war diesbezüglich eher verräterisch veranlagt.
„Unser König wünscht es so, Pete von den Theken. Er hat in weiser Voraussicht der Dinge entschieden, was dein Auftrag ist. Einen Königsauftrag zu erhalten ist eine grosse Ehre.“
„Er ist aber nicht mein König ...“, warf Pete trotzig ein.
„Aber er herrscht über die Ärzte, die sich um deine Liv kümmern. Wenn du deinen Auftrag zu seiner Zufriedenheit ausführst, wird er dir garantiert erlauben, dass du deine Freundin heute Abend sehen kannst.“
„Wie kann ich sie heute Abend sehen, wenn ihr mich in die Zukunft schickt?“
nna lächelte.
„Wenn wir dich wieder abholen, werden wir dich genau in diesen Moment zurückbringen. Und dann kannst du abends Liv besuchen.“
„Das ganze tönt mir nicht so, als hätte ich eine Wahl ...“
Sie stand auf. „Das ist wahr.“ Dann drehte sie sich dem Sprungtuch zu. „Das Tuch ist bereit, wir haben die Faltung so vorgenommen, dass du genau sieben Monate in die Zukunft reist. Dort bis du auf dich alleine gestellt und hast drei Tage Zeit um herauszufinden, wo genau die Gefangenen hingebracht werden. Das sollte reichen.“
„Aber das hab ich Henk doch gesagt. Sie werden in Zentren nahe der Flughäfen gebracht und ...“
Pete hielt inne. Inna schaute ihn wie ein kleines Kind an.
„Wir brauchen aber genaue Adressen damit wir euch helfen können.“
„Von rund zweihundert Nationen? Das ist unmöglich! Jedes Land hat seine eigenen Gefängnisse ...“
„Wir brauchen nur zwei oder drei Adressen. Das wird reichen.“
„Ich verstehe die ganze Sache nicht. Wie wollt ihr uns helfen? Wieso bitte? Sollten wir unsere Probleme nicht selbst lösen können? Und wer sagt denn überhaupt, dass ihr das könnt?“
„Das kann Meister Henk dir erklären, wenn ihr beide zurück seid. Ich muss jetzt weiter, Pete von den Theken. Springe, wenn du bereit bist. Alles ist bereit für dich. Besorge unserem erlauchten König die Adressen und ernte Glück!“ Sie verneigte sich vor ihm und begann zu singen.
Lied der guten Reise
Wir können nicht alles verstehen,
Aber wo wir hinreisen, sollten wir wissen.
Die Pflanzen wachsen dem Lichte zu,
Mögen dich deine Reisen zu deinem Lichte führen.
Dann wirst du alles verstehen.
Pete fasste diese Welt nicht. Alles hier war einfach ein wenig anders, irgendwie intimer, fand er. Er betrachtete Inna, die ihr eigenes Herzblut in das Lied zu legen schien und ihn unschuldig anschaute, als sei sie ein Kind. Keine Scham, keine Heuchelei, nur ehrlicher Gesang. Eine unendlich schöne Melodie, und dann als sie fertig war, ging sie, drehte sich um, ohne einmal zurück zu blicken.
Ich werde eindeutig sentimental, sagte Pete zu sich selbst. Er fühlte sich danach die Augen kräftig zu reiben, so unwirklich wirkte
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