Der letzte Aufstand
den Angehörigen der Opfer, die heute hatten ihr Leben lassen müssen. Nur die Klimaanlage legte keine Pause ein.
Nach einer Minute sprach Palms weiter.
“Würden die jeweiligen Vertreter der Arbeitsgruppen bitte auf die Bühne kommen?”, sagte er mit leiser Stimme.
Es gab nicht viel anderes, das man hätte tun können: die Devise war weiterleben und die Zukunft retten.
Es kam Bewegung in den Saal und aus manchen Reihen drängten Männer und Frauen durch die eng gestuhlten Sitzreihen zu den Gängen am Rand. Palms gab das Mikrofon dem erstbesten Staatsmann, der auf die Bühne hochstieg. Der kleingewachsene Hans Böhni, Bundesrat und Departements-Sprecher der Schweiz, nahm das Mikrofon entgegen.
“Ich repräsentiere die Schweiz, Belgien, Neuseeland, Ghana und Peru.Wir schlagen vor, dass man sich an die Universitäten wendet, welche führend im Bereich der Entwicklung psychologischer Tests sind und mit deren Hilfe eine Testbatterie entwickelt werden soll, die den Spreu vom Weizen trennt. Des weiteren schlagen wir vor, vorwiegend Menschen zu rekrutieren, die durch den Terror ein nahes Familienmitglied verloren haben, damit der Motivationsgrad stimmt. Je persönlicher jemand betroffen ist, desto mehr wird die Person sich engagieren, denken wir.”
Helena machte auf einem grossen Flipchart Notizen und hielt die vorgeschlagenen Ideen schriftlich fest.
Hans Böhni verliess die Bühne. Diplomatisch und ohne viel Aufsehen zu erregen, ganz der Schweizer. Jim Wicks, der australische Premierminister, stand als nächster auf dem Podest.
“Wir denken, dass man die A-Team Leute vor allem unter den Geistheilern findet. Vielleicht auch bei den Schamanen in Indonesien oder Brasilien. Viel mehr kam uns nicht in den Sinn, Entschuldigung. Ich repräsentiere übrigens Australien, Mozambique, Spanien, Holland und Kanada.”
In diesem Sinne ging es eine beträchtliche Zeit lang weiter. Helena hielt alles fest und Palms schaute dem ganzen Szenario zu, als betreffe es ihn kaum. Er sass auf einem Plastikstuhl etwas abseits und hatte glasige Augen, als sei er nicht ganz präsent.
Als es eindunkelte, erhob Palms sich langsam, als käme er von einer langen Reise zurück, und adressierte die Mitglieder der Konferenz ein letztes Mal an diesem Tag.
“Vielen Dank für Ihre Ideen und Ihr Vertrauen in uns. Helena und ich werden Ihre Vorschläge berücksichtigen und Ihnen morgen Vormittag eine Strategie vorstellen. Geniessen Sie ihren Abend und seien Sie sicher! Ich hoffe, wir werden morgen in gleicher Anzahl hier sein.”
Mehr hatte er nicht zu sagen. Er nickte Helena zu und zusammen verliessen sie den Saal durch den Notausgang.
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New York, 202 Tage bis „Tag X“
Pete holte Livia am Brooklyn Cruise Terminal ab, wo das Shuttle vom JFK-Flughafen ankam. Man hörte überall Sirenen von Ambulanz, Polizei und Feuerwehr. Die Brooklyn Bridge, die vor wenigen Stunden durch einen Terroranschlag eingestürzt war, war nur wenige hundert Meter vom Cruise Terminal entfernt. Der Verkehr war die Hölle und die ganze Stadt lief Amok, hatte man das Gefühl.
Livia hatte Kopfhörer an, trug ein Fläschchen Mineralwasser in der linken Hand und zog ihren Reisekoffer lustlos hinter sich her, als sie aus dem Shuttlebus stieg. Pete wusste, wie sie sich fühlte.
Livia gab immer ihr Bestes. Sie war eine Reporterin, die noch an den Auftrag der Presse glaubte. Umso mehr litt sie jeweils, wenn ihr die Möglichkeit einer Berichterstattung genommen wurde.
Sie drückte Pete einen frustrierten Kuss auf die Wange.
“Was ist denn hier los? Gibt’s was Neues?”, fragte sie, nachdem sie ihre Kopfhörer aus dem Ohr gezogen hatte.
“Du hast es noch nicht gehört?”
“Was hab ich noch nicht gehört? Ich hatte während der letzten drei Stunden meine Kopfhörer an, um mich von dieser Schweisswelt zu isolieren. Was ist passiert?”
“Es gab wieder Anschläge!”
“Nicht schon wieder!”, sagte Livia und drückte die Petflasche in ihrer Linken geräuschvoll zusammen.
Pete nickte. “Doch, schon wieder. Hier in New York, die Brooklyn Bridge”, er zeigte flussaufwärts. “Und Istanbul, und Sydney. Alles Brücken. Niemand weiss wieso!”
Livia konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie lehnte sich schluchzend an Petes Schulter und blieb eine kleine Ewigkeit genauso stehen. Pete spürte, wie sein Hemd von den Tränen nass wurde. Er hielt ihre Hand und streichelte ihren Kopf, während er selbst gegen die Tränen ankämpfte und seine
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