Der letzte Aufstand
sie stehen geblieben waren.
Das Taxi fuhr vor.
“Bringen Sie uns bitte zum Flughafen Charles de Gaulle!”, sagte Yeva, als sie ins Taxi stiegen. Guillaume und Jean hinten, Yeva auf dem Vordersitz neben dem Taxifahrer.
Der Inder, dem das Taxi gehörte, wiederholte das Ziel, ohne dass man ihn wirklich verstanden hätte. Er schien sich nicht weiter darum zu kümmern, dass er einen Mann in Handschellen transportieren musste. Einfach ein Job an einem typischen Tag in Paris.
Guillaume drehte das Fenster herunter und liess die Fahrtluft in den Wagen. Der Himmel veränderte sich. Es würde bald zu regnen beginnen, dem Grau nach zu urteilen. Eine leichte Abkühlung konnte nicht schaden, dachte Guillaume.
Der erste Einsatz war vorüber, doch die wirklich schwere Aufgabe wartete noch auf den jungen Wachholder-Clan von Frankreich und Belgien. Guillaume bekam Gänsehaut und hatte sofort wieder einen Knoten im Magen, wenn er auch nur an die Komplexität des Auftrags heute abend dachte. Doch im Moment hiess es, den ersten Einsatz abzuschliessen. Guillaume schloss die Augen und fokussierte auf den Wind, der ihm kühl ins Gesicht blies. Jean war wie weggetreten, in Handschellen auf dem Hintersitz eines Taxis, das verriegelte Türen hatte; Guillaume durfte sich ein wenig entspannen, vorerst gab es keine Gefahr. Alles war gut gegangen.
“Welches Terminal?”, fragte der Taxifahrer, als sie kurz vor der Autobahnabfahrt für Charles de Gaulle ankamen.
“In Richtung von Terminal 3, bitte. Danach noch etwas weiter. Ich werde Ihnen den Weg erklären, wenn wir dort sind.”, sagte Yeva. Kurz darauf fuhren sie am Terminal 3 vorbei. Yeva kannte die Route zum C-Camp im Schlaf. Sie erklärte dem Chauffeur alles, auch mit klaren Handzeichen.
“Folgen Sie der Rue de New York und nach dem Kreisel nehmen Sie die Rue de la Fousette, dann alles geradeaus und nach der Rue de Claye noch etwa hundert Meter geradeaus. Dann rechts in einen Feldweg. Ich zeig’s Ihnen.”
“... einen Feldweg!”, murmelte der Fahrer. Man konnte nur schwer sagen, ob dieses Murmeln Zustimmung, Abneigung oder Neutralität für Feldwege ausdrücken sollte.
An der Kreuzung angekommen, wies Yeva ihn an, den Feldweg etwa hundertfünfzig Meter entlang zu fahren. Dann waren die Tore des C-Camps zu sehen. Es waren zwei schwarze, metallene Tore, etwa zwei Meter hoch, die von einem kleinen Betonhäuschen, das als Pforte diente, getrennt wurden.
Das Zentrum in Frankreich war, wie alle Zentren in jedem Land dieser Welt, nahe eines Flugplatzes gebaut worden, damit Kunden auch aus weit entlegenen Ecken des Landes schnell in die C-Camps gebracht werden konnten. Die Zentren an und für sich waren ein Wunderwerk menschlicher Bau- und Schaffenskraft. Sie hatten zwar einen Zaun mit Stacheldraht und ein bewachtes Tor, aber kaum war man drinnen, muteten die Zentren eher nach einem luxuriösen Hotelkomplex an. Die Gebäude waren schöne moderne Bauten mit viel Glas und Sichtbeton. Hinter den Scheiben sah man Pflanzen und Zen-angehauchte Steinformationen. Um die Gebäude herum waren Rabatten, Büsche, Bäume, Blumenalleen und sogar kleine Teiche angelegt.
Yeva stieg vor dem Tor aus und sprach kurz mit der Wache, die das automatische Gatter darauf öffnete und den Taxifahrer hinein winkte. Jean hatte die ganze Fahrt lang kein Wort gesprochen. Erst jetzt öffnete er den Mund zum ersten Mal.
“Wo bringen Sie mich hin? Wo sind wir?”, fragte er.
Guillaume drehte sich ihm zu und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. “Sie sind in guten Händen. Machen Sie sich keine Sorgen, es kommt alles gut.”
Das war ein Satz, den Palms alle B-Teams auswendig zu lernen aufgetragen hatte. Es war die Standardantwort, die alle Kunden zu hören kriegten, wenn sie eine solche Frage stellten. Weltweit. Palms wollte, dass die Kunden von Anfang an wie Freunde behandelt wurden, eine Arbeit, die dann von den C-Teams genau in diesem Sinne weitergeführt werden würde. Vertrauen ist die Basis der ATO, hatte er immer wieder betont.
Jean gab sich mit der Antwort zufrieden. Der Wagen fuhr am Hauptgebäude vorbei und folgte einem Weg, der hinter das Gebäude führte. Dort sah man etwa zwanzig kleine Holzbungalows, die sogenannten Break-Out Zentren.
Obwohl Guillaume die Anlage gut kannte, konnte er sich einen Anflug von Stolz, dass er zu der Organisation gehörte, die das alles innerhalb von wenigen Monaten aufgebaut hatte, nicht verkneifen. Wenn die ATO nicht die Lösung war, dann gab es keine
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