Der letzte Aufstand
keine Ahnung, was er wirklich zu erwarten hatte. Man hatte ihm nur mitgeteilt, dass er die Nacht in Rom verbringen müsse, weil er früh am Morgen in ein Vorbereitungscamp geflogen werden würde. Seinen Flug zurück nach Beirut hatten ihm die Bodmers abgesagt und auch das Hotelzimmer hatten sie ihm reserviert, wie auch das Taxi bestellt, welches ihn heute früh um sechs Uhr vor dem Hotel abgeholt und zum Flughafen gefahren hatte. Und einen Gutschein eines Kleidergeschäfts hatten sie ihm gegeben, wo er sich warme Kleidung für Arbeiten auf dem Land besorgen musste.
Kahil war der einzige Fluggast, der beim Gate 28b auf seinen Flug wartete. Und wohin die Reise gehen würde, war ihm auch nicht klar. Kein Wunder war er nervös. Beim Gate war nichts angeschrieben und es wurde auch nie ausgerufen. Alle anderen Gates kamen in der Durchsage vor, aber die 28b wurde in den dreissig Minuten die er dort wartete, nie erwähnt. Kahil hatte die Tasche mit den neuen Kleidern, die er sich mit dem Bon gekauft hatte, zwischen den Füssen und trat mit den Füssen von links und dann von rechts an die Tasche, mangels anderer Tätigkeitsfelder.
Schliesslich kamen zwei Gestalten die Gangway herunter. Kahil blickte neugierig in ihre Richtung. Die Bodmers hatten ihm nur einen Zettel gegeben, auf dem die Gate-Nummer und eine Zeit stand, und er war - dank dem Taxifahrer - etwas zu früh hier gewesen. Umso mehr nahm es ihn jetzt Wunder, wer hier auf ihn zu kam. Vielleicht würde er jetzt endlich etwas mehr über dieses Vorbereitungscamp herausfinden?
Es waren ein Mann und eine Frau. Der Mann hatte eine italienische Polizeiuniform an. Die Frau trug eine Jeans, eine dunkelgelbe Bluse und eine ausgetragene Lederjacke darüber, dazu trug sie einen weissen Baumwollschal, den sie drei mal um den Hals gewickelt hatte. Sie musste Ende zwanzig sein, vielleicht ein klein wenig älter als er selbst.
„Kahil El-Badouj?“, fragte der Polizist, als ihn noch zwei Meter von Kahil trennten.
„Genau!“ Kahil stand auf.
Der Polizist streckte ihm die Hand hin. „Nett, Sie kennen zu lernen. Ihr Flug geht in fünf Minuten. Der Hubschrauber ist momentan im Landeanflug!“
„Hubschrauber?“, wiederholte Kahil.
„Ja, Sie fliegen mit dem Hubschrauber auf die Insel Zannone, wo Sie die nächsten sieben Tage verbringen werden, bevor Sie wieder abgeholt und dann nach Kanada ins Trainingscamp gebracht werden.“
Der Polizist zeigte auf die Frau, die hinter ihm stand.
„Das ist Lea van den Boucht. Sie ist Ihre Partnerin im C-Team und hat ebenfalls gestern ihr Vorstellungsgespräch erfolgreich absolviert.“
Lea nickte ihm freundlich zu. Dann richtete der Polizist sein Wort an Kahil und Lea gleichzeitig.
„Sie werden eine Woche alleine auf dieser Insel leben, sonst lebt dort zu dieser Jahreszeit niemand. Es gibt eine kleine Forststation auf einem Hügel, aber dort ist jetzt niemand. Touristen gibt es zu dieser Jahreszeit auch keine. Sie werden auf sich selbst gestellt sein, bis wir Sie in einer Woche wieder abholen. Klar?“
Kahil blickte Lea an und nickte dem Polizisten zu. Der Typ war irgendwie hektisch. Er sprach sehr schnell und mit starkem italienischem Akzent in seinem Englisch.
„Aber es gibt eine Regel. Während der ganzen Woche wird geschwiegen; kein Wort wird gesprochen. Sie müssen sich als C-Team ohne Sprache zu verständigen wissen. Lernen Sie sich kennen, aber brauchen Sie dafür keine Worte. Sie müssen sich gegenseitig blind lesen können. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich am Ende dieser Woche so gut kennen, wie andere Menschen sich nach zwei Jahren kennen. Aber keinen verbalen Austausch, ist das klar?“
Durch die Scheibe sah man wie ein schwarz-grüner Hubschrauber landete. Polizia Nationale stand in weissen Buchstaben an der Seite eingraviert.
„Sie müssen gehen. Der Flug dauert gute zwei Stunden und wir brauchen den Hubschrauber gegen Mittag wieder hier. Folgen Sie mir!“
Der Polizist öffnete die Tür zum Landeplatz und ging voraus. Der Wind des Hubschraubers wehte ihm die Polizeimütze vom Kopf, aber der Polizist liess sie liegen. So hektisch er war, so cool blieb er. Er gestikulierte irgend etwas mit dem Piloten und half Kahil und Lea beim Einsteigen.
„Bis nächste Woche!“ Dann stiess er die Türe zu, holte seine am Boden liegende Kopfbedeckung und schritt wieder ins Gebäude. Der Hubschrauber hob ab, als gehe es um ein Wettrennen.
Rund zwei Stunden später landete der Pilot die Maschine sicher auf einer schrägen
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