Der letzte Aufstand
aber als abgeschlossen erwies.
Die ersten zwei Stunden waren praktischer Natur. Kahil stellte das Zelt auf, Lea holte die restlichen Taschen und pumpte die Luftmatratzen auf, die zusammen mit einer kleinen Fusspumpe im Zeltsack gewesen waren. Scheinbar hatten die Leute, die die Ausrüstung zusammen gestellt hatten, an alles gedacht.
Nach zwei Stunden stand das kleine Zweierzelt, die Luftmatratzen waren darin untergebracht und die neuen Kleider waren ebenfalls im Zelt verstaut, damit sie nicht nass werden würden, falls es zu regnen beginnen würde. Und dann wartete eine ganze Woche der Zweisamkeit auf sie.
Lea machte sich an die Schachtel mit den Nahrungsmitteln. Es gab Dörrobst, vier Laibe dunkles Vollkornbrot, Hartkäse, zwölf gekochte Eier in einer Eierschachtel, auf der in krakeliger Handschrift das Wort boiled eggs stand, und Äpfel, sonst nichts. Es gab weder Trinkgläser für das Wasser, noch ein Messer für das Brot oder den Käse. Man schien von ihnen zu erwarten, dass sie alles improvisativ lösten; dass sie, obwohl sie sich nicht kannten, nebeneinander schlafen würden, dass sie aus dem gleichen Wassertank trinken würden, das Brot von Hand teilen würden und den Hartkäse, der sich kaum von Hand teilen lassen würde, weil er härter als ein Parmesan war und die Konsistenz von einem Stein hatte, jeweils stückweise abbeissen würden.
Doch das störte Kahil nicht im geringsten. Aus solch profanen Dingen pflegte er kein Problem zu machen. Lea warf ihm einen Apfel zu und nahm sich selbst auch einen, den sie an ihrer Bluse kurz abrieb. Da sassen sie also vor ihrem Zelt, schwiegen sich an und mampften Äpfel. Dabei war es offensichtlich, dass sie sich gegenseitig einzuschätzen versuchten. Durch die Absenz von Worten war umso mehr Präsenz spürbar.
Wenig später begann es zu regnen. Sie zogen sich ins Zelt zurück, bevor sie nass wurden, wohl wissend, dass es sich in feuchter Kleidung nicht toll zelten liess. Anfangs lagen sie einfach nebeneinander auf ihren Luftmatratzen, schliesslich schliefen sie ein und wachten erst wieder auf, als der Regen aufgehört hatte.
Es war sonderbar, so weit abseits der Zivilisation zu sein und doch in der Ferne Fährschiffe zu sehen, die das Festland mit der bewohnten Nachbarinsel von Zannone - Ponza - verbanden. Und genauso sonderbar war es zu wissen, dass auf der ganzen Welt stündlich irgendwelche Anschläge stattfanden, während sie hier in der Abgeschiedenheit in Sicherheit waren.
Kahil wachte als erster wieder auf. Er öffnete den Reissverschluss des Zeltes, wodurch auch Lea aufwachte. Mit Gesten versuchte er ihr klar zu machen, dass er ans Meer hinunter wollte und sie zu fragen, ob sie mitkäme. Lea nickte, streckte sich.
Der selbe Fussweg, der zur Forststation hoch führte, in deren Windschatten sie das Zelt aufgestellt hatten, führte an eine Schiffsanlegestelle hinunter. Lea zog ihre Schuhe und Socken aus und hielt die nackten Füsse ins kalte Märzwasser. Kahil, eine wärmere Sonne gewöhnt, war nicht ganz so mutig, kniete sich neben sie und streckte den Finger ins Wasser.
„Brrr ...“, meinte er. Zählte das als verbale Kommunikation?
So zogen die Tage dahin. Es dauerte nicht lange, bis ihnen die Ruhe nicht mehr komisch vorkam und der Alltag funktionierte. Nein, die Stille schien eher zu einem Teil ihrer Beziehung zu werden, obwohl sie beide nicht hätten sagen können, was diese Beziehung genau werden und wohin sie führen würde. Doch eines war offensichtlich und wurde immer klarer: Palms‘ Strategie funktionierte. Lea und Kahil lernten sich kennen ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Sie begannen sich zu vertrauen, was sich an kleinen Details zeigte. So ging Lea die ersten drei Tage hinters Haus um sich ein frisches T-Shirt anzuziehen und ab dann zog sie sich auch neben Kahil im Zelt liegend um. Und das Vertrauen war gegenseitig. Kahil, der es am Anfang etwas merkwürdig fand, wenn er merkte, dass Lea ihn beobachtete und studierte, hatte nach vier Tagen kein Problem mehr damit, wenn sie ihn zehn Minuten lang anschaute ohne den Blick von ihm abzuwenden, als würde sie ihn auf eine Leinwand bannen müssen.
Am fünften Tag, die Sonne schien an jenem Tag etwas stärker, gingen sie miteinander schwimmen und hatten einen riesigen Spass dabei. Sie spritzen sich gegenseitig an, tauchten sich ins kalte Wasser und machten danach einen kleinen Wettbewerb, wo es darum ging, wer einen Stein mit einem flachen Wurf auf das stille Wasser zu mehr Sprüngen
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